Vom 14. bis zum 16. Oktober tagte in Den Haag das Monsanto-Tribunal, ein mehr als nur symbolisches Gerichtsverfahren gegen den Agrarmulti. Organisiert wurde das Verfahren von der Zivilgesellschaft, unterstützt von renommierten Universitäten und JuristInnen.
Vergangenes Wochenende stand der Agrarmulti Monsanto in Den Haag vor Gericht. Angeklagt war der Konzern wegen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» und wegen «Ökozids». Das Tribunal gegen Monsanto wird allerdings keine direkten rechtlichen Konsequenzen durchsetzen können. Monsanto musste sich nicht vor dem Internationalen Gerichtshof oder dem Internationalen Strafgerichtshof, die ihren Sitz in der niederländischen Stadt haben, verantworten. Das symbolische Tribunal wurde von Umweltschutzgruppen und BäuerInnenverbänden organisiert und sollte eine Plattform bieten für BäuerInnen, ImkerInnen und GesundheitsexpertInnen aus Nord- und Südamerika, Asien und Afrika, die über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden berichten konnten, die durch Monsanto, seine Produkte und seine Geschäftspraktiken entstanden sind.
Geburtsfehler und Krebs
Eine Zeugin des Tribunals war die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva, die von 300 000 BäuerInnen in Indien erzählte, die sich das Leben genommen haben, weil sie durch den Anbau der gentechnisch veränderten Bt-Baumwolle von Monsanto untragbare Schulden angehäuft haben. Es traten krebskranke KaffeebäuerInnen und Mütter von Kindern mit Geburtsfehler als ZeugInnen auf. VertreterInnen aus Sri Lanka berichteten, dass 28 000 Menschen an Nierenkrankheiten gestorben sind, weil sie in Kontakt kamen mit dem Monsanto-Herbizid Roundup. «Wenn Mutter Erde sprechen könnte, wären die Verantwortlichen von Monsanto schon längst im Gefängnis», sagte Nnimmo Bassey, ein nigerianischer Aktivist, bei der Eröffnung des Tribunals. «Das hier ist ein Kampf nicht nur gegen einen multinationalen Konzern; es ist ein Kampf für das Leben und für Freiheit, es ist ein Kampf gegen Grossunternehmen, die unsere Nahrungsketten kolonisieren.»
Monsanto beherrscht mit seinem gentechnisch modifizierten (GMO) Saatgut und Herbiziden den Weltmarkt. Seine Produkte bedrohen die Biodiversität und die Gesundheit der Menschen. «Alles, was GMO-Nahrungsmittel gemacht haben, ist, den Anteil an toxischen Stoffen in unserem Essen zu erhöhen», sagt Vandana Shiva.
Die RichterInnen werden das Urteil über die Verbrechen von Monsanto im Dezember verkünden.
Wir sprachen im Vorfeld des Monsanto-Tribunals mit Esther Gerber und Raymond Gétaz vom Europäischen BürgerInnenforum, die an der Organisation der Veranstaltung beteiligt waren.
Auf der Anklagebank sitzt ein transnationaler Saatgutkonzern, der mit GMO-Saatgut, Herbiziden, Biotechnologie und Patenten Millionenumsätze erzielt. Was wird Monsanto vorgeworfen?
Raymond Gétaz: Dem Unternehmen wird vorgeworfen, dass es Produkte auf den Markt bringt, die schädlich sind für die Menschen. Und nicht nur schädlich: Es hat viele Tote gegeben in der Vergangenheit, die direkt oder indirekt durch Produkte von Monsanto bewirkt wurden. Am bekanntesten ist Agent Orange, das während dem Vietnamkrieg eingesetzt wurde. Aber es gibt auch andere Produkte, die auf Plantagen versprüht werden, wo Menschen arbeiten und gravierende Konsequenzen davontragen: Gesundheitsschäden, die teilweise tödlich sind.
30 ZeugInnen und mehrere renommierte JuristInnen treten am Tribunal auf. Sie werden unterstützt von Universitäten. Müssen die Beteiligten keine Konsequenzen befürchten, zum Beispiel, dass den Universitäten Forschungsgelder gestrichen werden?
Esther Gerber: Es ist schon klar, dass Monsanto in der Vergangenheit sehr massiv gegen ForscherInnen, die ihm nicht genehme Resultate publiziert haben, vorgegangen ist. Ich begrüsse es sehr, dass diese Universitäten trotzdem den Mut finden, sich gegen Monsanto auszusprechen. Bei den RichterInnen handelt es sich mehrheitlich um solche, die im Ruhestand sind und sich vielleicht deswegen diesen Schritt eher leisten können.
Normalerweise, wenn jemand auf der Anklagebank sitzt, darf er oder sie auch Stellung beziehen. Darf Monsanto das in diesem Fall?
Esther Gerber: Monsanto ist offiziell eingeladen worden. Wir wurden aber ignoriert. Erst in letzter Zeit habe ich in Pressemeldungen gelesen, also auf Anfrage von JournalistInnen, dass sie nicht gedenken, an das Tribunal zu kommen. Es ist natürlich keine grosse Überraschung. Denn wenn sie kommen würden, dann würden sie diesem Tribunal auch eine gewisse Rechtfertigung geben. Und das werden sie nicht machen.
Was sind denn die wichtigsten Ziele dieses symbolischen Gerichtsprozesses in Den Haag?
Esther Gerber: Es ist sehr wichtig, dass Opfer von Monsanto-Produkten weltweit an diesem Tribunal eine Stimme erhalten. Und ein weiteres wichtiges Ziel ist, dass die RichterInnen am Schluss richterliche Gutachten produzieren werden. Diese Gutachten können in der Folge in einzelnen Ländern oder von einzelnen Gruppen in echten Prozessen eingesetzt werden. Das Resultat vom Tribunal ist damit etwas, das auch in Zukunft verwendet werden kann.
Infos: www.monsanto-tribunal.org