Welcher Wert steckt in Produkten wie T-Shirts? Durch die Arbeit wird der Wert der Produktionsmittel auf das hergestellte Produkt übertragen. Maschinen selbst schaffen keinen Mehrwert. Der Mehrwert wird durch die Arbeit der Beschäftigten erzeugt.
Neulich bin ich in einer Diskussion mit einem Freund auf das Thema der Wertübertragung von Maschinen gestossen. Es ging etwa darum, weshalb man sich eine neue Maschine anschaffen sollte, wenn Maschinen selbst gar keinen Wert produzieren. Um dies zu erklären, muss man etwas ausholen, was in einem kurzen Gespräch schon schwieriger ist. Aber um die Entwicklungen in der kapitalistischen Gesellschaft und Wirtschaft richtig verstehen zu können, sollte man sich mit ihren grundlegenden Gesetzen befassen. Diese bleiben auch in der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus, derjenigen der Grosskonzerne, der Monopole, bestehen. Anhand eines Beispiels über die Herstellung von T-Shirts wollen wir die Wertübertragung verständlich machen. Es könnte sich natürlich auch um ein anderes Produkt handeln; das Prinzip bleibt das gleiche.
Lohn, Preis, Profit
Der Wert eines T-Shirts setzt sich aus dem zur Produktion benötigten Materialien (den Rohstoffen und den Produktionsmittel) und der Arbeit zusammen. Bei der Verarbeitung werden die Materialien in das Produkt umgewandelt. Diese Materialien, die Marx konstantes Kapital nennt, wären in unserem Beispiel der verarbeitete Stoff und Faden, die Nähmaschine, die sich allmählich abnutzt und auch die zur Produktion benötigte Elektrizität sowie die Kosten des Produktionsgebäudes (Miete, Unterhalt). Diese Werte werden ihrem Preis entsprechend auf das neue T-Shirt übertragen. Beim Wert der Arbeit der NäherInnen verhält es sich gleichermassen. Er überträgt sich und die zuvor genannten Bestandteile, durch die Bearbeitung, auf das hergestellte Produkt.
Diese Arbeit bietet dann auch die Grundlage für den Profit der UnternehmerInnen. Denn wenn den Arbeitenden der ganze Wert ihrer Arbeit ausbezahlt würde, dann wäre es für die Unternehmer-Innen ein Nullsummenspiel, da sich die Werte der Materialien und Maschinen nicht verändern oder erhöhen, sondern weitergegeben werden. Der entscheidende Punkt aber ist, dass die UnternehmerInnen nur für die Arbeitskraft der NäherInnen zahlen. Denn diese wird im Arbeitsmarkt nicht an der tatsächlichen Leistung bemessen und entsprechend bezahlt, sondern der Preis für die Arbeitskraft (der Lohn) hängt von den Lebenskosten, und von der Konkurrenz zu den anderen Arbeitenden ab. Somit behalten die UnternehmerInnen den Teil für sich, der übrig bleibt, wenn man vom Wert der Arbeit den Preis für die Arbeitskraft abzieht, und beuten dadurch ihre Arbeitenden aus. Dieser Teil der Arbeit der den Arbeitenden nicht bezahlt wird, bei dem sie gratis schuften, ist der Mehrwert, auch Gewinn oder Profit genannt.
Rechenbeispiel für die Wertübertragung
Kommen wir nochmals zur Übertragung des Werts auf das Produkt zurück. Wir haben gesehen, dass die Werte nur übertragen werden, aber durch die Maschinen kein Wert erzeugt wird. Weshalb sollte man sich dann neue anschaffen? Welchen Sinn haben Erneuerungen und technischer Fortschritt? Ein Rechenbeispiel (mit willkürlichen Zahlen) soll Klärung bringen:
Nehmen wir an, dass mit einer Nähmaschine 10 000 T-Shirts produziert werden können, bis sie abgenutzt ist. In dieser Zeit überträgt sie ihren Gesamtwert von 50 000 Franken auf alle produzierten T-Shirts, pro T-Shirt also 5 Franken. Die NäherInnen können mit der Maschine pro Tag 50 T-Shirts produzieren; für diese Arbeit erhalten sie 100 Franken Lohn pro Tag. Die Nähmaschine hält somit 200 Tage und die Lohnkosten pro T-Shirt betragen 2 Franken.
Nun wird eine neue Nähmaschine angeschafft. Wir nehmen aber an, dass durch die technischen Verbesserungen mit der neuen Nähmaschine 50 Prozent schneller produziert werden kann. Die NäherInnen können nun pro Tag 75 T-Shirts herstellen. Wenn die Kosten für die Nähmaschine mit 50 000 Franken gleich bleiben und sie in der gleichen Zeit abgenutzt wird, werden neu insgesamt 15 000 T-Shirts produziert. Aber nun wird pro T-Shirt nur noch ein Wert von 3,3 Franken übertragen. Der Wert der Arbeit der NäherInnen pro T-Shirt sinkt um einen Drittel, da sie nun einen Drittel weniger Zeit pro T-Shirt benötigen und damit auch einen Drittel weniger Arbeit auf das neue T-Shirt übertragen. Die NäherInnen erhalten aber immer noch gleichviel Lohn pro Tag: 100 Franken. Die Lohnkosten pro T-Shirt sind nun 1,3 Franken.
Worin besteht der Vorteil?
Durch die Anschaffung der neuen Maschine sind die Produktionskosten für ein T-Shirt gesunken, sowohl der Preis der Maschine als auch die Lohnkosten pro T-Shirt. Relevant ist in erster Linie Letzteres, weil in der Realität eine neue Maschine, neue Technologie, auch mehr kosten würde. Pro Tag können 75 statt 50 T-Shirts mit einer Person produziert werden. Die Lohnkosten sinken um einen Drittel, die ArbeiterInnen sind «günstiger». Die UnternehmerInnen könnte nun zum Beispiel 33 Prozent weniger NäherInnen anstellen, um die gleiche Menge an T-Shirts zu produzieren.
Was heisst das für die Arbeitenden? Sollen wir zurück zu den MaschinenstürmerInnen, die Fabrik in die Luft sprengen, um der Rationalisierung entgegenzuwirken und so Entlassungen zu verhindern? Nein, das kann keine ernsthafte Option sein. Den technologischen Fortschritt muss man sich zu Nutze machen. Eine um 50 Prozent gesteigerte Produktionsgeschwindigkeit muss nicht zum Rausschmiss von einem Drittel der Arbeitenden führen, denn es bietet einem die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu verkürzen und die Intensität am Arbeitsplatz zu senken, was zu einer angenehmeren Arbeitsatmosphäre führen würde.