Philippe Blanc. Ein neuer Bericht vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zeigt, dass die Anzahl Fälle von Lohndumping zunimmt in der Schweiz. Der Ökonom Daniel Lampart erklärt die Situation.
Lohndumping will offiziell zwar niemand, dennoch hat es in der Arbeitswelt einen festen Platz. Dies zeigt der neueste Bericht vom Seco. Rund 45 000 Unternehmungen respektive die Löhne von rund 175 000 Personen wurden überprüft. Fazit: Die Lohnverstösse sind in letzter Zeit gestiegen.
Daniel Lampart, Chefökonom vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, erklärt sich die Zunahme dadurch, «dass der Druck mit dem überbewerteten Franken zugenommen hat und dass auch mehr ausländische Firmen in die Schweiz kommen und hier ihre Dienstleistungen anbieten und zwar in der Regel mit tieferen Löhnen».
Die meisten Lohndumpingopfer arbeiten im Gastgewerbe, im Handel oder im Baugewerbe. Wenn es in einem Betrieb einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mit Mindestlöhnen gibt und die KontrolleurInnen Lohndumping feststellen, dann gibt es eine Busse. Zudem müssen die Betriebe, die zu tiefe Löhne bezahlen, die Arbeitskräfte nachbezahlen.
«Das Problem sind Branchen, in denen es keine Mindestlöhne gibt, die für alle Firmen verbindlich sind. Das sind der Gartenbau und das Sicherheitsgewerbe oder der Detailhandel. Dort haben die KontrolleurInnen viele Firmen gefunden, die zu tiefe Löhne zahlen. Und dort ist es heute nicht möglich, diese Löhne komplett durchzusetzen», sagt Lampart.
«Nicht transparent»
Kontrolliert wurden sieben Prozent der Schweizer Betriebe sowie 40 Prozent der Betriebe, die aus dem Ausland in die Schweiz kommen, um hier Arbeiten zu entrichten. Überprüft wurden auch Selbstständige, die sogenannten Ich-AGs aus der EU, die in der Schweiz Aufträge übernehmen. Das sind nicht genug Kontrollen, hält Daniel Lampart fest: «Diese Zahlen bedeuten konkret, dass ein Arbeitgeber in der Schweiz alle zwanzig Jahre kontrolliert wird, und das ist viel zu wenig.»
In Betrieben mit GAVs überprüfen paritätische Kommissionen aus ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften die Lohnbedingungen. In Betrieben, wo es keine GAVS mit Mindestlöhnen gibt, führt der Staat die Kontrollen mit sogenannten tripartiten Kommissionen durch. Laut dem Seco-Bericht erreichten die tripartiten Kommissionen des Staates ihre Kontrollziele. Mängel gäbe es hingegen seitens der SozialpartnerInnen. 15 von 22 paritätischen Kontrollkommissionen hätten letztes Jahr die Ziele nicht erreicht. Das Problem liege bei den Betrieben sagt Lampart: «Leider ist es so, dass es Branchen gibt, wo die Arbeitgeber kein Interesse haben, dass systematisch kontrolliert wird. Dort haben wir grösste Mühe, die Kontrollziele zu erreichen.» Bei den Kontrollen geht es darum, Lohndumping auffliegen zu lassen. In Betrieben, wo es GAVs mit Mindestlöhnen gibt, sei es einfach, zu sehen, ob diese eingehalten werden oder nicht, meint Lampart. Probleme gebe es eher in Betrieben ohne Mindestlöhne, dort bestimme der Staat beziehungsweise die Kantone oder der Bund, wann von Lohndumping gesprochen werde. «In der Praxis ist das oft ein Problem, weil es die Kantone sind, die einen Lohn festlegen, den sie als akzeptabel oder als ‹Schweizer Lohn› bezeichnen. Es ist leider nicht öffentlich und auch nicht völlig transparent, mit welchen Löhnen die Kantone ihre Kontrollen machen.»
Vom Staat kontrolliert
Nicht nur die kantonalen Richtlöhne seien zu tief, sondern auch die verbindlichen Mindestlöhne der Kantone. Diese können nämlich Mindestlöhne erlassen, wenn sie in einer Branche wiederholt Lohndumping feststellen. So hat der Kanton Tessin einen solchen Mindestlohn erlassen, den er auf 3000 Franken ansetzte. Auch in der Deutschschweiz besteht derzeit die Gefahr, dass die Kantone sich selber an der Lohndrückerei beteiligen: «Wir stellen fest, dass jetzt vor allem in der Deutschschweiz Ideen zirkulieren, im Detailhandel Mindestlöhne zu erlassen, die in der Grössenordnung von 3500 Franken liegen. Und das wäre natürlich definitiv zu tief angesetzt. Da ist die Schutzwirkung minimal.» Nebst Kontrollen sind Strafen ein wichtiges Instrument, um Lohndumping zu bekämpfen. Doch offenbar tun die Strafen nicht genügend weh. «Die heutigen Bussen sind auf 5000 Franken beschränkt und das ist natürlich viel zu wenig. Sie brauchen nur ein paar Beschäftigte, sie zahlen denen 500 Franken zu wenig und bereits nach zwei Monaten hat es sich gelohnt.» Kontrollen, Strafen und Mindestlöhne sind altbekannte flankierende Massnahmen, um Lohndumping zu bekämpfen. Eingeführt wurden die flankierenden Massnahmen als der Schweizer Arbeitsmarkt für Lohnabhängige aus der EU geöffnet wurde. Der Gewerkschafter Lampart verteidigt die flankierenden Massnahmen: «Erstmals ist bekannt, welche Löhne bezahlt werden. Erstmals werden Löhne vom Staat kontrolliert. Und mit den Bussen ist es so, dass Firmen zur Rechenschaft gezogen werden können. Das Problem ist einfach: Wenn die Kantone sich weigern, Mindestlöhne zu erlassen, dann ist es nicht möglich, Firmen, die zu tiefe Löhne zahlen, zu büssen. Dort kann man heute Firmen, die Lohndumping betreiben, eigentlich nur nette Briefe schreiben.»