In der Vorwahlen zu den US-Präsidentschaftswahlen der DemokratInnen unterlag der Sozialist Bernie Sanders der Parteielite unter Hillary Clinton. Im Gespräch mit «Democracy Now!» erzählt er, wie er den Wahlsieg von Donald Trump erlebte und wie sie nun die Demokratische Partei neu aufbauen wollen.
Bernie Sanders hat zwar die Vorwahlen verloren, er hat aber seinen Kampf nicht aufgegeben. Er führt nun den Kampf an, die Demokratische Partei (DP) von innen her wieder aufzubauen. Im November wurde er in die Führung der Senatsfraktion der DemokratInnen berufen als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus setzt er sich für den Kongressabgeordneten Keith Ellison als Vorsitzender des Democratic National Committee, der nationalen Parteiorganisation, ein.
Wo waren Sie in der Wahlnacht? Was haben Sie durchgemacht?
Bernie Sanders: Ich war zuhause. Ich war sehr nervös, als die Resultate der Senatswahlen aus Indiana reinkamen. Es gab dort die Chance, dass ein konservativer Demokrat gewinnen würde. Als er sehr deutlich geschlagen wurde, bin ich nervös geworden. Von dort an ging es bergab. Ich dachte zuvor, dass die Chancen für Clintons Sieg zwei zu eins stünden. Ich war deshalb überrascht, aber nicht schockiert, als Trump gewann. Ich kann nicht leugnen: Es war ein sehr deprimierender Abend. Seither denke ich viel darüber nach, wie wir von hier aus weitergehen können und was die beste Antwort darauf ist.
Sie sind nun der mächtigste Nicht-Partei-Demokrat im Land.
Na ja, es gibt sowieso nicht sehr viele davon in den USA. Aber ich glaube, Sie meinen damit, dass ich vor ein paar Wochen von Chuck Schumer, dem Anführer der DemokratInnen im Senat, in eine Führungsposition ernannt wurde. Er gab mir eine Position, die ich wollte: Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Und ich werde diese Position nutzen, um die DP zu verändern.
In den USA wird bald Mr. Trump sein Amt aufnehmen. Und die RepublikanerInnen kontrollieren den US-Senat. Wir DemokratInnen dachten, wir hätten eine gute Chance, die Macht zu übernehmen. Das war eine Fehleinschätzung. Im Repräsentantenhaus haben die DemokratInnen ein paar Sitze gewonnen, aber die RepublikanerInnen werden es weiterhin kontrollieren. Nicht nur das: In über zwei Dritteln der Bundesstaaten gibt es republikanische GouverneurInnen. Und in den letzten acht Jahren haben die DemokratInnen etwa 900 Sitze in den Parlamenten der Bundesstaaten verloren. Ich denke deshalb, ohne jemandem die Schuld zu geben, dass die gegenwärtige Vorgehensweise der Partei fehlgeschlagen ist. Wir brauchen einen neuen Ansatz.
Wichtig ist, dass wir eine Graswurzelpartei schaffen, in der nicht die reichen SponsorInnen im Mittelpunkt stehen, sondern die arbeitenden Menschen, junge Menschen, Menschen aus der Mittelklasse. Sie müssen in die Partei kommen und uns sagen, was ihre Bedürfnisse sind, und uns Ideen geben, wie wir vorwärts kommen. Ich habe die Verantwortung als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit mit etwas Bangen, aber auch mit Begeisterung, übernommen. Ich werde durch das Land reisen und alles dafür tun, um eine Partei zu schaffen, die die arbeitenden Menschen repräsentiert, nicht das obere 1 Prozent.
Wer soll die Demokratische Partei in Zukunft anführen?
Ich unterstütze dafür klar den Kongressabgeordneten aus Minnesota, Keith Ellison. Keith ist Co-Vorsitzender des House Progressive Caucus, der progressivsten Fraktion im US-Repräsentantenhaus. Keith glaubt wie ich, dass wir einen grossen Wandel in der DP machen müssen, dass wir sie in ein Graswurzelpartei verwandeln müssen. Und er hat ganz konkrete Ideen, wie wir das machen können.
Spielt es eine Rolle, dass er der erste muslimische Kongressabgeordnete ist in einer Zeit, in der der zukünftige Präsident MuslimInnen fichieren will?
Klar steckt auch Symbolismus darin. Aber für mich als einer, der kein grosser Fan von Identitätspolitik ist, ist ausschlaggebend, dass er sehr progressiv ist, dass er sein ganzes Leben für ArbeiterInnenfamilien und für die Mittelklasse und Menschen mit tiefem Einkommen eingetreten ist. Man kann Ihren Punkt aber auch nicht ausser Acht lassen: Es würde ein starkes Zeichen sein an das ganze Land, dass der Vorsitzende der DP ein Muslim ist. Es wäre ein Zeichen, dass wir eine Partei der Vielfalt sein wollen, die keine Sekunde lang die Borniertheit von Trump akzeptiert.