Die sozialistische Revolution im Jahr 1917, angeführt von Lenin, hat die Welt verändert. Darüber besteht kein Zweifel. Doch welche Bedeutung hat sie 100 Jahre später in einer im Vergleich zu damals völlig anderen Welt? Welche Lehren und Schlüsse können heute für die Zukunft noch gezogen werden? Oder ganz einfach: Was bleibt von ihr heute? Die Suche nach Antworten, denn es kann unmöglich nur eine geben, ist der rote Faden dieses Buchs.
Zum Buch
Welchen Beitrag soll und kann der vorwärts zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution leisten? Als wir uns ab Mitte 2016 mit dieser Frage beschäftigten, wurde uns schnell eines klar: Es sollte mehr sein als «nur» eine einmalige Sache wie etwa eine Sonderbeilage von acht Zeitungsseiten oder ein Diskussionsabend, denn zu wichtig ist dieses historische Ereignis für jene Linke, die weiterhin die Überwindung des Kapitalismus und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft auf ihre roten Fahnen geschrieben hat. Und zu dieser Linken gehören wir, seit es uns gibt, und wir sind stolz darauf. Die Oktoberrevolution ist somit Bestandteil unserer eigenen Geschichte, die des vorwärts und die der Trägerin dieser Zeitung, der Partei der Arbeit. Daher war es ein Ansporn, die eigene Geschichte «selber» zu schreiben; wenn es unsere GegnerInnen tun, wissen wir genau, was dabei herauskommt. Aber wir wollten nicht nur einen geschichtlichen Rückblick, denn: «Politisches Handeln ist mehr als nur die Umsetzung von Theorie in Praxis. Es ist vor allem auch Vergegenwärtigung historischer Erfahrung, der Erfolge und Fehler der eigenen Geschichte», schreibt der im 2011 verstorbene deutsche Philosoph und Kommunist Hans Heinz Holz in seinem Buch «Niederlage und Zukunft des Sozialismus» aus dem Jahr 1991. Und um die Wichtigkeit der eigenen Geschichte zu unterstreichen, sei ein anderer grosser Denker und Kommunist des 20. Jahrhunderts zitiert, Pietro Ingrao: «Wer ohne Vergangenheit ist, hat keine Zukunft und ist zu einem ewigen Präsens verdammt.» Genosse Ingrao starb 2015 in Rom im hohen Alter von 100 Jahren. Holz und Ingrao fordern uns auf, den Blick vorwärts zu richten, die von Lenin gestellte Frage «Was tun?» immer neu zu denken, indem wir aus unserer Geschichte lernen, die aus Siegen, Niederlagen und Irrtümern besteht. So entschieden wir uns für ein ambitiöses Projekt: die Oktoberrevolution über das ganze Jahr 2017 in der Zeitung zu thematisieren, dabei verschiedene Aspekte zu beleuchten und am Ende sämtliche Text in einem Buch zu veröffentlichen.
Was bleibt also von der sozialistischen Oktoberrevolution heute? Um Antworten auf diese Frage zu finden, müssen die historischen Verhältnisse und die Entwicklungen, die zur Revolution führten, verstanden werden. Von zentraler Bedeutung hierbei sind natürlich das Wirken Lenins, seine theoretischen Lehren wie auch sein praktisches Handeln innerhalb und ausserhalb der bolschewistischen Partei. Lenin reiste bekanntlich aus seinem Schweizer Exil von Zürich im «plombierten Wagen» zurück nach Russland, um die Revolution zu starten. So will es die Geschichte, dass Schweizer GenossInnen in den Monaten und Wochen vor der Machtübernahme der Bolschewiken eine bedeutende Rolle zukam. Eine wichtige Persönlichkeit war dabei Fritz Platten. Wer war dieser Mann? Welchen Einfluss hatte er auf die Schweizer ArbeiterInnenbewegung jener Jahre? Und: Welchen Einfluss hatte Lenin selber auf das Proletariat und dessen Organisationen in der Schweiz? Es versteht sich von selbst, dass diese Aspekte der Oktoberrevolution im Buch Platz finden.
«Mit der Übernahme der Macht durch die Bolschewiki bekam das Proletariat in Russland Zugang zu Bildung und Kultur. In den Fabriken und Arbeiterklubs entstanden Theater- und Chorzirkel. Studios und Laboratorien für literarisches Schaffen, Musik und bildende Kunst breiteten sich aus. Kunst als Selbstzweck existierte nicht mehr», schreibt Genosse Manfred Vischer in seinem Beitrag zum Aspekt der Kunst und Kultur. Damit ist auch gesagt, dass die sozialistische Revolution zu radikalen Veränderungen in der Gesellschaft führte. Was brachten sie in Russland, in ganz Europa und dem Rest der Welt ins Rollen? Speziell und besonders betroffen von den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen waren die Frauen. Die Oktoberrevolution ermöglichte ihnen eine bisher noch nie gekannte gesellschaftspolitische Stellung, Mitbestimmung und Mitgestaltung. Grund dafür war, dass die revolutionären Ideen nicht vor Fragen der Gleichberechtigung, Familienpolitik und traditionellen Beziehungsformen haltmachten. Ganz im Gegenteil! Einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten RevolutionärInnen wie Alexandra Michailowna Kollontai, die unter anderem forderte, dass Sexualität so normal werden solle, wie Wasser aus einem Glas zu trinken. Das Bewusstsein und Wirken der Revolutionärinnen riss patriarchale Mauern nieder, vor allem in den Köpfen der Menschen, und führte zur Erkenntnis: keine Befreiung der Frau ohne Sozialismus, kein Sozialismus ohne Befreiung der Frau. Ein spezieller Dank geht hier an die Genossin Sabine Hunziker aus Bern, die mit ihren Texten zur Kultur- und Frauenpolitik diese wichtigen Aspekte der Revolution beleuchtet.
Was bleibt also heute noch von der sozialistischen Revolution? Wir suchten nach Antworten, fanden einige, aber vor allem entstanden bei der Suche viele weitere Fragen. Und das ist gut so, denn es beweist: Wir leben und das Ende der Geschichte ist für uns noch lange nicht geschrieben!
Verlagsgenossenschaft vorwärts, Hardcover, 126 Seiten gebunden mit 15 Bildtafeln in Gold, Schwarz und Rot. Verschiedene AutorInnen. Gestaltung und Illustrationen von Christoph Stettler.
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