Robert Baer arbeitete während zwanzig Jahren bis zum Ende der 90er Jahre für den US-Geheimdienst CIA und war im Libanon, im Irak, in Tadschikistan, Marokko und im ehemaligen Jugoslawien tätig. Interview von Ramon Schack, Telepolis, mit dem Autor von Büchern über US-Aussenpolitik, Spionage und Geheimdienste.
Sie werfen dem CIA vor, den Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren massiv unterstützt zu haben. Was war das strategische Ziel des US-Geheimdienstes, diesen Staatszerfall zu beschleunigen, der zu Krieg und Bürgerkrieg führte und hunderttausende Opfer forderte?
Das Ziel war es, den Staat Jugoslawien als geopolitischen Machtfaktor auszuschalten. Versetzen wir uns einmal in jene Zeit zurück. Die Sowjetunion zerbrach, ebenso die Tschechoslowakei, Deutschland wurde vereinigt, der Warschauer Pakt löste sich auf. Die geopolitische Landschaft, welche nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war, hatte über Nacht aufgehört zu existieren. In Washington hatte man damals das Ziel, die Chancen zu nutzen, um dauerhaft westliche Vorstellungen von der Welt nicht nur in Europa zu installieren, also der ganz grosse Abwasch, um zukünftig das Entstehen eines gegnerischen Machtfaktors, wie es die UdSSR gewesen war, dauerhaft zu verhindern. Jugoslawien stand diesem strategischen Entwurf im Weg. Immerhin war es ein Staat mit einigem Gewicht und einigem Prestige sowie mit einer der stärksten Armeen Europas.
Klingt das nicht etwas nach einer antiamerikanischen Verschwörungstheorie?
Nicht wenn man selbst dabei war so wie ich seit Januar 1991, als ich im Auftrag der CIA in Bosnien eintraf. Wir hatten die Aufgabe, eine angebliche serbische Terrorzelle zu überwachen, gegebenenfalls auszuschalten, die das Ziel hatte, die bosnischen Pläne zur Unabhängigkeit zu sabotieren. Diese Gruppierung, «Surpreme Serbia» wurde sie genannt, gab es überhaupt nicht. Unsere Anwesenheit vor Ort diente nur dazu, die politische Klasse Bosniens zu verunsichern und den Weg zur Unabhängigkeit zu beschleunigen. Nach zwei Wochen wurde die Aktion abgeblasen, ich selbst wurde dann nach Slowenien versetzt, mit dem Ziel, dort die Entwicklung zur Unabhängigkeit voranzutreiben.
1991 mündete der Zerfallsprozess in einen offenen Krieg, der viele Jahre andauern sollte. Kamen Ihnen persönlich damals Zweifel, was die moralische Rechtfertigung anging?
Zweifel hat jeder Agent. Aber die Tätigkeit als Mitarbeiter eines der führenden Geheimdienste der Welt eignet sich nicht besonders gut dazu, moralische Reflexionen anzustellen. Je mehr wir aber über die Geschichte Jugoslawiens erfuhren, desto grösser wurden die Zweifel. Besonders die Tatsache, Serbien alleine als den grössten Kriegsverbrecher sowohl im historischen Kontext, wie auch in dem aktuellen Krieg von damals darzustellen, entsprach nie den Realitäten.
Welche Rolle spielte Geld bei diesen Operationen?
Eine ausschlaggebende Rolle. Wir schmierten Politiker und Generäle, Publizisten und Polizisten.
Der damalige deutsche Aussenminister Fischer sprach von einem drohenden Ausschwitz, womit er die westliche Intervention damals moralisch zu rechtfertigen gedachte.
Als deutscher Politiker hätte er eigentlich über ein gewisses historisches Gespür verfügen sollen bezüglich solcher unsachlichen Vergleiche. Es gab zwei strategische Gründe für ein unabhängiges Kosovo: Die mineralischen und natürlichen Ressourcen und natürlich die geplante Errichtung von Bondsteel, dem Militärstützpunkt, mitten im Herzen Südosteuropas.
Welches ist die Motivation ihrer publizistischen Arbeit, seitdem Sie aus dem CIA ausgeschieden sind? Möchten Sie das Ansehen der USA beschädigen?
Im Gegenteil, ich bin ein amerikanischer Patriot, der sich Sorgen macht über diese desaströse Politik der letzten Jahrzehnte, speziell seit dem Ende des Kalten Kriegs, die das Ansehen der USA weltweit sinken lassen.