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«Unsere Bewegung ist gescheitert, weil sie auf eine überwältigende Entschlossenheit zur Unterstützung des herrschenden Systems gestossen ist.» Schon drei Tage nach dem versuchten Putsch in Burundi musste der führende Kopf der Opposition und ehemaliger Verteidigungsminister Cyrille Ndayirukiye ihre Niederlage eingestehen. Er war von den regierungstreuen Sicherheitskräften festgenommen worden; der eigentliche Anführer der Rebellion, Geheimdienstchef Godefroid Niyombare, befindet sich weiterhin auf der Flucht.
Der burundische Präsident Pierre Nkurunziza war am 13. Mai ins benachbarte Tansania gereist, um an einem Gipfeltreffen der Ostafrikanischen Gemeinschaft teilzunehmen. Es sollte über eine Lösung der Krise in seinem Land beraten werden. Die Konferenz hatte noch nicht begonnen, da traf aus Burundis Hauptstadt Bujumbura die Nachricht von einem Putsch ein: Generalmajor Niyombare habe die Regierung des zentralafrikanischen Landes im Namen eines «Komitees zur Wiederherstellung der nationalen Einheit» für abgesetzt erklärt. «Die Massen lehnen Präsident Nkurunzizas dritte Amtszeit energisch und beharrlich ab. Präsident Pierre Nkurunziza wurde von seinen Pflichten abgelöst. Die Regierung ist gestürzt», liess Niyombare verkünden.
Seit Ende April, als Nkurunziza seine Kandidatur für eine dritte Amtsperiode offiziell machte, sind die Proteste gegen die Regierung in Burundi eskaliert. Bei Zusammenstössen zwischen GegnerInnen des Staatschefs und der Polizei waren dabei mindestens 22 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden.
Noch einmal Präsident?
Nkurunziza wurde 2005 zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt – vom Parlament. Daher behaupten seine UnterstützerInnen, dass rechtlich eine Wiederwahl möglich sei. «Der Präsident», heisst es in der burundischen Verfassung, «wird allgemein und direkt für ein Mandat von fünf Jahren gewählt, das einmal erneuert werden kann.» Folgt man Nkurunzizas Interpretation, habe er erst eine reguläre Amtszeit hinter sich, denn nur einmal, 2010, sei der Urnengang «allgemein und direkt» gewesen. Diese Auffassung wurde vom Verfassungsgericht bestätigt. Dessen Vizepräsident hatte jedoch dem Urteil widersprochen und floh kurz darauf ins Ausland. Ihm zufolge habe die Regierung Druck auf die RichterInnen ausgeübt.
Auf dem Krisengipfel in Tansania vom 13. Mai haben die Staatschefs der Ostafrikanischen Gemeinschaft nun versucht, Nkurunziza dazu zu drängen, mit der Opposition zu verhandeln und auf die Kandidatur zu verzichten. Und prompt wurde die Abwesenheit Nkurunzizas für den Aufstand genutzt.
Burundi hat mit seinem nördlichen Nachbarland Ruanda vieles gemein: Beide haben eine Vergangenheit als belgische und deutsche Kolonien, wobei in beiden Ländern die Bevölkerung willkürlich in eine Hutu-Mehrheit und eine privilegierte Tutsi-Minderheit aufgeteilt wurde. Dies obwohl beide Gruppen dieselbe Sprache sprechen und sich genetisch nicht unterscheiden. In beiden Ländern ist es in den 90er-Jahren zu einem Bürgerkrieg mit Völkermord gekommen, der in Burundi von den Opfern her zwar glimpflicher verlief, sich allerdings sehr viel länger hinzog. In der Folge haben die Länder auch politisch jeweils verschiedene Wege eingeschlagen. Während man in Ruanda die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi zumindest rechtlich und formal aufzuheben versuchte, wurde in Burundi ein ausgeklügeltes Proporzsystem eingeführt. Die Verfassung von 2004 schreibt für die Armee und Polizei sowie für die Regierung bestimmte Quoten vor. Die Quoten hatten klare Spielregeln der Machtteilung gesetzt, die Parteien mussten aus beiden ethnischen Gruppen Mitglieder anwerben. Nkurunziza spielte eine zentrale Rolle im Friedensprozess. Er hatte es geschafft, auch die letzten kämpfenden Milizen zur Entwaffnung zu bewegen und den Bürgerkrieg zu beenden. Laut der burundischen Opposition hat der Präsident jedoch zunehmend das Proporzsystem und damit die Basis des Friedensprozesses unterminiert, indem er «an einem präsidialen System bastelt».
Die Unruhen im drittärmsten Land der Welt dauern an; ein Oppositionspolitiker wurde auf offener Strasse erschossen. Und die humanitäre Lage ist prekär: Mehr als 105’000 Menschen sind inzwischen aus Burundi in die Nachbarländer geflüchtet.