Die klar homo- und transphobeVolksinitiative «Schutz der Ehe», die im Kanton Zürich am 27. November zur Abstimmung kommt, verstösst gegen Bundesrecht und das Diskriminierungsverbot. Trotzdem dachte das Kantonsparlament nicht daran, sie für ungültig zu erklären.
Die Ehe als «Lebensgemeinschaft von Mann und Frau» definieren und alle anderen Menschen und Kombinationsformen davon ausschliessen. Das will die rechtsextreme Partei EDU mit ihrer kantonalen Volksinitiative «Schutz der Ehe». Die Ehe sei «in ihrem natürlichen Bestand» gefährdet, monieren die christlichen FundamentalistInnen. Es drohen ihrer Meinung nach die Gleichstellung der Ehe mit dem Konkubinat, die Ehe für mehr als zwei Personen, also Polygamie, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare oder – Schreck lass nach – gar ihre Abschaffung. Das hat die selbsternannten EheschützerInnen auf den Plan gerufen, um die «allseitige Freude» namens Ehe vor dem gesellschaftlichen Fortschritt zu retten. Die Partei der Arbeit Zürich (PdAZ) verurteilt diese bornierte, ausgrenzende und homo- und transphobe Ideologie scharf und ruft dazu auf, am 27. November Nein zu stimmen!
«Bekenntnis zur natürlichen Ehe»
Die meisten mögen sich vielleicht noch an das Unding einer CVP-Initiative erinnern, die auf identische Weise die Bundesverfassung dahingehend verändert wollte, dass die Ehe zur Lebensgemeinschaft von Mann und Frau versteinert werden sollte. Die EDU-Initiative wurde vor der Abstimmung der eidgenössischen Initiative lanciert, die im Februar 2016 mit 50,8 Prozent abgelehnt wurde. Allerdings verband die CVP damals ihr reaktionäres Anliegen mit Steuerfragen, was wahrscheinlich der Grund war, weshalb die Abstimmung sehr knapp ausgefallen ist und nicht völlig bachab ging (was man zumindest hoffen muss). Der EDU geht es hingegen ungeschminkt um die Verhinderung der «Homo-Ehe», denn die Vorlage besteht nur aus dieser Ehedefinition.
Die SVP, die einzige Partei im Kantonsparlament, die ebenfalls ein Ja empfiehlt, schiesst im selben Muster gegen queere Menschen: SVP-Rätin Erika Zahler begründete das Ja-Votum der Fraktion damit, dass ihre Partei überzeugt hinter dem «Begriff» der Ehe stehe: Die Kinder bringe schliesslich nicht der Storch. Die CVP im Kanton Zürich erklärte hingegen, dass ihre Sektion in dieser Frage liberaler sei als die nationale Partei und die Vorlage deshalb ablehne. Ihre Hauptargumentation ist, dass die Ehedefinition auf kantonaler Verfassungsebene unnötig und der Bund dafür zuständig sei. Damit schliesst sie sich der Mehrheit der bürgerlichen und linken Parteien an, die ähnlich argumentieren. Eine allfällige Neudefinition des Ehebegriffs würde eine kantonale Verfassungsänderung bedeutungslos machen, schreibt die zuständige Kommission des Kantons.
Keine Diskriminierungsabsicht?
Dass sich die Initiative direkt gegen anderssexuelle Menschen richtet, ist unbestreitbar: : «Das Zürcher Stimmvolk soll proaktiv ein klares Bekenntnis zur natürlichen Ehe ablegen.» Eine nicht Hetero-Ehe wäre offenbar widernatürlich. Oder: «Gender-Politiker versuchen seit Jahren, uns einzureden, dass alle Beziehungen gleichwertig seien», schreibt eine EDUlerin. Also sind nicht alle Beziehungen gleichwertig; welche damit gemeint sind, ist allen klar.
Laut Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser, der die Initiative für die BefürworterInnen begutachtet hat, verstösst sie nicht gegen das Diskriminierungsverbot, weil das Recht, die Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens frei zu wählen, gewährleistet bleiben würde, aber auch weil eine Diskriminierungsabsicht seitens der InitiantInnen fehle: «Es geht ihnen nicht um die Schlechterstellung anderer Lebensformen.» Ein blanker Hohn, denn es geht ihnen ganz klar um die Verewigung der bisherigen Schlechterstellung.
Die Initiative ist potenziell nicht umsetzbar, weil sie in der Kantonsverfassung festschreiben will, was auf Bundesebene geregelt werden müsste. Im Abstimmungsheft schreibt der Regierungsrat: «Falls diese gesamtschweizerische Auseinandersetzung mit dem Ehebegriff dereinst zu einer anderen rechtlichen Ausgestaltung der Ehe führen sollte, wäre die neue Regelung auch für den Kanton Zürich verbindlich und eine abweichende kantonale Ehedefinition hinfällig. Die Volksinitiative kann ihr Ziel also gar nicht erreichen und ist aus politischen und rechtlichen Gründen abzulehnen.» Die EDU selber glaubt, dass die Volksinitiative nicht gegen übergeordnetes Recht verstösst, weil «die Ehe auf Verfassungsebene bisher noch nicht definiert worden ist» und sie der Rechtsauffassung des Bundesgerichts entspricht. Dieses hat vor 16 Jahren tatsächlich erklärt, dass es «von einem traditionellen Verständnis der Ehe als einer auf Dauer angelegten, umfassenden Lebensgemeinschaft zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts aus».
Gleichzeitig gibt die EDU selber zu, dass ihre Initiative zivilrechtliche Folgen hat. Damit verstösst sie aber gegen Bundesgesetz, das vorschreibt, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts Sache des Bundes ist.
Ein politischer Entscheid
Wieso wurde die Initiative trotz dem Unrecht, das sie einführen will, nicht für ungültig erklärt? Der Grund ist nicht schwierig, zu erraten: Sie geniesst den Schutz der SVP. Im Kantonsparlament wurde sie geschlossen von allen SVP-Heinis angenommen. Dass es aber nicht einmal eine Abstimmung über eine Ungültigkeitserklärung gab, ist weniger verständlich.
Man erinnere sich: Im Jahr 2013 wurde die Initiative der Partei der Arbeit (PdA) Zürich «Steuerbonus für dich» für ungültig erklärt. Im Kantonsparlament von Zürich braucht es eine Dreiviertelmehrheit, um eine Initiative für ungültig zu erklären. Der Ausgang der Abstimmung lag bei 139 zu 2 Stimmen für die Ungültigkeit. Das heisst, die SP und die Grünen halfen tatkräftig mit, ein Volksbegehren von links niederzuschmettern. Hätten sie sich auch nur ihrer Stimme enthalten, wäre es zur Volksabstimmung gekommen. Die PdA wies damals zurecht darauf hin, dass es sich bei solchen Ungültigkeitserklärungen um politische Entscheide handelt.
Die aktuelle Initiative «Schutz der Ehe» hätte für die rotgrünen Parteien eine gute Gelegenheit sein können, eindeutig gegen Homo- und Transphobie Stellung zu nehmen und die Verhetzung einer faschistoiden Partei zu unterbinden. Gegenüber dem vorwärts erklärte Markus Bischoff, Kantonsrat der linken Partei Alternative Liste, dass seine Partei es besser findet, dass eine solche Initiative an der Urne gebodigt, statt juristisch vor Gericht bekämpft wird.
Gegen die Initiative hat sich ein breites Bündnis «von links bis rechts» gebildet, in dem sich neben den Bürgerlichen (ohne SVP) und Rotgrün auch die grossen LGBT-Organisationen sammeln. Die GegnerInnen kehren die Argumentation der EDU um und verstehen Ehe-Verbot für Homosexuelle als einen Angriff auf die «Institution Ehe», ihre Öffnung würde sie hingegen stärken.