Am 24. September finden in Deutschland die Bundestagswahlen statt. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wird sich zur Wahl stellen. Patrik Köbele, der Vorsitzende der DKP, berichtet über das Wahlprogramm und die Strategiedebatten der Partei.
Mit grosser Sicherheit wird die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) nicht in den nächsten Deutschen Bundestag einziehen. Das verhindert schon die undemokratische 5-Prozent-Hürde im deutschen Wahlgesetz. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar gross, dass das Ergebnis der DKP irgendwo weit unterhalb von einem Prozent liegen wird. Trotzdem kandidieren wir. Warum?
Zuerst sind es politische Gründe. Die DKP hat sich ein Sofortprogramm erarbeitet, dass konsequent die Ursachen und VerursacherInnen von Krieg, Flucht und Armut benennt und das Forderungen beinhaltet, die der Instrumentalisierung der Flüchtenden zur Erhöhung der Konkurrenz unter den Ausgebeuteten entgegenwirkt. Dazu gehören der Bau von günstigen Wohnungen, 260 000 Arbeitsplätze im Gesundheitswesen, mehr Schulen, Lehrer-Innen, Kindergärten, Jugendzentren. Wer soll das bezahlen? Die VerursacherInnen von Krieg, Flucht und Armut, mit einer Millionärssteuer (in Deutschland leben über eine Million MillionärInnen), mit der Kürzung der Rüstung, dem Stopp aller Auslands-einsätze der Bundeswehr. Dieses Sofortprogramm ist einzigartig. Und einzigartig ist die Einordnung dieser Reformforderungen in eine revolutionäre Strategie. Diese Einzigartigkeit ist der erste Grund für unseren Wahlantritt.
Eine riesige Herausforderung
Der zweite ist unsere Schwäche. Wir schätzen ein, dass wir uns auf eine wachsende Aggressivität des deutschen Imperialismus nach innen und aussen einstellen müssen. Wenn wir uns weiter vorstellen, dass die DKP weiter an Stärke verliert, dann ist das eine schlimme Vorstellung. Wir müssen gegensteuern und begreifen deshalb den Antritt zu den Bundestagswahlen als einen Kampf um die Stärkung der Partei. Eine undemokratische Hürde der Herrschenden zwingt uns dabei zu einer Offensive in der Ansprache der Menschen. Um zur Wahl antreten zu können, benötigen in Deutschland kleine Parteien in jedem der 17 Bundesländer Unterschriften von WählerInnen. In den meisten Bundesländern jeweils 2000, insgesamt also über 30 000. Das ist für eine kleine Partei mit knapp 3000 Mitgliedern und teilweise schwachen Strukturen, wie das bei der DKP der Fall ist, eine riesige Herausforderung.
Wir haben das nicht überall geschafft, in zwei Bundesländern ist die DKP gar nicht angetreten, weil dort die GenossInnen im Zuge der strittigen Debatten in der DKP die Kandidatur ablehnten (trotz eines deutlichen Beschlusses des Parteitags). In 5 Bundesländern haben wir die Hürde der Unterschriften nicht erreicht. Ersteres ist ein Problem, weil sich die Frage der Verbindlichkeit von Beschlüssen stellt. Zweiteres ist nicht schön, aber die GenossInnen vor Ort sind keineswegs frustriert, auch sie waren mehr auf der Strasse und insgesamt wissen wir nun deutlicher, wie und wo die Probleme unserer Verankerung liegen.
DKP und Linkspartei
Manche Diskussion im Vorfeld unseres Beschlusses, zur Wahl anzutreten, dreht sich um die Frage, ob wir damit nicht der Partei Die Linke schaden würden. Einig waren wir uns, dass die Linkspartei, vor allem in der Friedensfrage bislang eine gute Rolle im Parlament gespielt hat. Einig waren wir uns, dass der Wiedereinzug der Linkspartei in den Bundestag zu begrüssen ist, auch, wenn es für die WählerInnen ein Problem ist, dass sie nicht wissen, ob sie mit ihrer Stimme die relativ konsequenten Teile unterstützen, oder diejenigen, die, wie beispielsweise Gregor Gysi für eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen, bereit sind, viele Grundsätze (auch in der Friedensfrage) über Bord zu werfen. Auch deswegen sahen wir die Notwendigkeit, den Wahlberechtigten eine konsequente Alternative anzubieten, um mit dem Wahlzettel Druck von links auf die Linkspartei ausüben zu können. Recht einig waren wir uns, dass eine Kandidatur der DKP mehr zur Politisierung des Wahlkampfs nach links hilft, denn sie uns selbst Stimmen bringt.
Was haben wir bislang erreicht? In zehn Bundesländern werden wir wählbar sein. Wir haben weit über 20 000 Unterschriften für unsere Kandidatur gesammelt. Die Partei war in den meisten Bundesländern wesentlich häufiger auf der Strasse und machte dabei gute Erfahrungen. Es gibt Interesse an uns und unseren Positionen und viel Unkenntnis. Das beginnt schon dabei, dass viele Menschen nicht mehr wissen, was die drei Buchstaben DKP bedeuten. Dem haben wir gegengesteuert. Das müssen wir nun fortsetzen, dafür haben wir neuen Mut und neues Selbstbewusstsein gewonnen.
Vorbereitung auf den Parteitag
Gleichzeitig bereiten wir unseren 22. Parteitag vor, der im März 2018 stattfinden wird. Wir haben uns das Ziel gestellt, dass er in der langen Auseinandersetzung in unserer Partei, die 2013 zu einem Führungswechsel geführt hat, in der dann 2015 der Charakter als marxistisch-leninistische Partei wieder bestätigt wurde, einen gewissen Meilenstein darstellen muss. Wir müssen das Aushöhlen des Prinzips der Verbindung der breiten Debatte mit der gemeinsamen Aktion beenden. Das bedeutet kein Ende der Debatte, aber die Überwindung der Fraktionsbildung. Im Wesentlichen wollen wir das durch die inhaltliche Debatte erreichen. Deshalb haben wir die Präzisierung unserer Strategie auf die heutige Zeit zum Mittelpunkt des Leitantrags an den 22. Parteitag gemacht.
Aus unserer Sicht ist das Wesen der Strategie der DKP seit 1968 grundsätzlich richtig. Sie baut auf den Überlegungen von Lenin, der kommunistischen Internationale und der KPD unter Thälmann, Pieck und Reimann auf. Sie knüpft an die strategischen Überlegungen der DKP seit der Neukonstituierung (nach dem KPD-Verbot 1956) 1968, unter der Führung von Kurt Bachmann und Herbert Mies. Wir wollen sie für die heutigen Verhältnisse fortschreiben und aktualisieren, nicht verwerfen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass es Fragen zu dieser Strategie «von links» gibt. Fragen, die alle berechtigt sind. Fragen, die manchmal aber auch das Kind mit der Badewanne ausschütten. Immer dann nämlich, wenn Neben- oder Seitenaspekte der antimonopolistischen Strategie überhöht werden. Wenn eine Nebenfrage zum zentralen Wesen der Strategie gemacht werden soll. Dazu gehört sowohl die Frage nach Bündnismöglichkeiten mit nicht-monopolistischen Teilen der Bourgeoisie, die es gibt, aber für die KommunistInnen im Verhältnis zum Kampf um die Aktionseinheit der ArbeiterInnenklasse einen nachgeordneten Stellenwert hat. Dazu gehört auch die Bedeutung von Wahlen oder die Beteiligung an Regierungen. Letzteres brachte für RevolutionärInnen sehr widersprüchliche Erfahrungen. In den volksdemokratischen Ländern war sie bei einem durch die Rote Armee geklärten militärischen Kräfteverhältnis ein Weg über die antifaschistisch-demokratische Phase an die sozialistische Revolution heranzukommen. In den 30er Jahren waren Volksfrontregierungen Kampfregierungen gegen den Faschismus. In neueren Phasen wurden kommunistische Parteien oft integriert und als Feigenblatt missbraucht.
Gegenwärtige Kampfetappe
Im Leitantrag bestimmen wir die konkrete Kampfetappe, also die Etappe der Entwicklung des Imperialismus heute, aber auch das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital sowie zwischen Monopolkapital auf der einen, der ArbeiterInnenklasse und den nicht-monopolistischen, antiimperialistischen Kräften auf der anderen Seite. Wir stellten dabei fest, dass ein Blick auf die heutige Situation nicht ausreicht. Wir untersuchen deshalb die Entwicklung des Imperialismus in seinen verschiedenen Etappen.
In der Gesamtheit kommen wir zum Ergebnis, dass wir uns in einer Etappe der Entwicklung des Imperialismus befinden, die in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann und die, verstärkt durch die konterrevolutionäre Zerschlagung des Sozialismus in Europa, zu einer Offensive des Imperialismus geführt hat, die bis heute anhält. Seit Beginn der Krise 2007 zeigt diese Risse, führt zu stärkeren innerimperialistischen Widersprüchen, ohne dass es der ArbeiterInnenbewegung, national, in Europa oder weltweit gelungen wäre, diese soweit auszunützen, dass der Offensive des Imperialismus bereits starker Gegendruck entgegengesetzt werden konnte. Die zunehmenden Widersprüche im Lager der Herrschenden bieten dafür mehr Spielraum, erhöhen aber auch die Gefahren von Aggressionen innerhalb des imperialistischen Lagers, von Stellvertreterkriegen oder Kriegen gegen mögliche Konkurrenten bzw. um Einflusssphären.
Eine Wende erkämpfen
Aus dieser Analyse und der Feststellung, dass sich in den Zentralen des Imperialismus ein, wie es bereits Lenin nannte, «staatsmonopolistischer Kapitalismus» herausgebildet hat, in dem die ökonomische Hauptstruktur des Imperialismus, die Monopole mit dem imperialistischen Staat zu einer nicht widerspruchsfreien Einheit verschmelzen, halten wir an den Grundsätzen der leninschen Theorie fest, dass der Hauptstoss gegen die Hauptstruktur des heutigen Kapitalismus, die Monopole und den «Stamokap-Staat», zu richten ist und nach Wegen der Heranführung an die proletarische Revolution gesucht werden muss.
Wir halten daran fest, dass es das strategische Ziel der jetzigen Etappe ist, Wege zu finden, mit der die ArbeiterInnenbewegung, die antiimperialistischen und antimonopolistischen Kräfte, die Kräfte des Friedens und des Antifaschismus aus der Defensive herauskommen können. Es geht darum, die Offensive des Monopolkapitals zu stoppen, Gegenkräfte zu formieren. Es geht darum eine Wende zur Friedens- und Abrüstungspolitik, zu demokratischem und sozialem Fortschritt zu erkämpfen, wie wir es in der Überschrift des Leitantrags formulieren.
Das hat nichts mit Transformationsstrategie zu tun. Wir bauen diese Überlegungen seit unserer Gründung in eine revolutionäre Strategie ein, die natürlich davon ausgeht, dass die notwendige sozialistische Revolution die Ergreifung der politischen Macht durch die ArbeiterInnenklasse im Bündnis mit anderen antimonopolistischen Schichten erfordert. Dies ist die Voraussetzung, um der herrschenden Klasse die Quelle ihrer Macht, die Produktionsmittel zu entreissen und eine Gesellschaft und Ökonomie aufzubauen, die mit Profit- und Konkurrenzsystem bricht.
Nun steht dieser Leitantrag in der DKP zur Debatte. Wir wissen, dass die kollektive Weisheit der Gesamtpartei grösser ist als die kollektive Weisheit des Parteivorstands. Deshalb sind wir sicher, dass die Debatte in der Partei den Antrag noch weiter qualifizieren wird. Der 22. Parteitag wird dann bilanzieren. Das Eingreifen in den Bundestagswahlkampf, den Kampf um die Stärkung der Partei und den Kampf um eine strategische Orientierung der DKP in einem der mächtigsten imperialistischen Länder unserer Zeit.