Der Referenzzinssatz ist seit 2009 um die Hälfte gesunken. Die Mieten hätten deutlich sinken müssen. Der MieterInnenverband ruft die MieterInnen dazu auf, eine Mietzinssenkung einzufordern. Es dürfte die letzte Gelegenheit sein.
7 Milliarden Franken. Um diesen Betrag hätten die Mieten seit 2009 sinken müssen. Tatsächlich aber sind sie noch weiter gestiegen. 2,5 Milliarden Franken mehr mussten die MieterInnen in der Schweiz zahlen. Weil der Referenzzinssatz seit 2009 um die Hälfte gesunken ist, hätten die VermieterInnen die günstigeren Konditionen mit Mietzinssenkungen an die MieterInnen weitergeben müssen. Das haben sie aber nicht getan, weil dies für die Mietzinswucherer nicht obligatorisch ist. Kein Wunder also. Was die einen zu viel bezahlen, bekommen die anderen als Extra-Rendite. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kapitalanlagen werden im Immobilienmarkt noch immer sehr hohe Renditen erzielt. Das zeigt etwa die Jahresrechnung 2016 des Immobilienkonzerns Mobimo. Die Rendite betrug sagenhafte 11,7 Prozent. «Die Teuerung ist seit neun Jahren nicht mehr angestiegen, die Zinsen massivst gesunken, doch nur ein kleiner Teil der Mietenden haben die Mietzinssenkungen erhalten», erklärte Carlo Sommaruga, Präsident des Schweizerischen MieterInnenverbands (SMV) letzte Woche auf einer Medienkonferenz.
3 Prozent Mietzinssenkung
Nachdem der Referenzsinssatz auf ein Rekordtief von 1,5 Prozent geschrumpft ist, versucht der SMV nun, die MieterInnen dazu zu bewegen, ihr damit verbundenes Recht auf tiefere Mieten einzufordern. Die MieterInnen hätten eine Mietzinssenkung von knapp 3 Prozent zugute. Der SMV hat dazu die Kamagne «Besser leben dank tieferer Miete!» gestartet, um aufzeigen, «dass den Mieterinnen und Mietern dieses Geld zusteht und sie es so einsetzen können, wie sie es wollen». «Weniger Miete ist mehr Ferien», heisst es entsprechend auf einem ihrer Plakate.
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird von Sommaruga erfrischend deutlich als «eine gigantische Umverteilung» bezeichnet: «Jahr für Jahr zahlen die Mieterinnen und Mieter Milliarden zu viel an Miete und Vermieter kassieren Milliarden zu viel an Miete.» Der SMV-Präsident zitierte eine Studie der Raiffeisenbank, wo festgehalten wurde, dass die Mieten nach korrekter Anwendung des geltenden Rechts um 40 Prozent tiefer sein sollten. Als Gründe nannte die Studie das «lax gehandhabte Mietrecht» und bezeichnet die Schere zur tatsächlichen Mietpreisentwicklung als «fast schon beängstigend».
3000 Franken im Jahr zuviel
Marina Carobbio, die Vizepräsidentin des SMV, erläuterte, was für die meisten Menschen in der Schweiz Alltag ist: Die Wohnausgaben für die MieterInnen befinden sich auf einem zu hohen Niveau. «Im Durchschnitt geben sie mehr als 18 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus.» Hätte sich der sinkende Referenzzinssatz in tieferen Mieten umgesetzt, hätte ein durchschnittlicher MieterInnenhaushalt im Monat rund 300 Franken weniger Miete bezahlen sollen als noch 2009. Pro Jahr sind das über 3000 Franken – ein gewaltiger Betrag, den sich die VermieterInnen einstecken konnten. 500000 Haushalte in der Schweiz müssen aktiv bei Kleidern oder bei Gesundheitsausgaben sparen, damit sie für die Wohnkosten aufkommen können. Man müsse annehmen, dass dieser Anteil der Haushalte noch zunehmen wird, da der Anteil der preisgünstigen Wohnungen ungebremst sinkt.
Balthasar Glättli, der Präsident des Deutschschweizer Mieter-Innenverbands, machte auf die Wichtigkeit aufmerksam, dass die MieterInnen jetzt eine Mietzinssenkung einfordern. «Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist dies die letzte Senkung des Referenzzinssatzes für die nächsten Jahre. Es ist deshalb jetzt besonders wichtig, dass sich die Mieterinnen und Mieter ihre Senkung holen, denn leider können sie es nicht nachträglich machen und wenn der Referenzzinssatz steigt, ist es endgültig zu spät: Aus Erfahrung wissen wir, dass dann bedeutend mehr Mieterinnen und Mieter eine Mietzinserhöhung erhalten als zuvor eine Senkung bekamen.»
Mietzinssenkung fordern!
Im Klartext: Es ist die letzte Möglichkeit, überhaupt eine Mietzinssenkung einzufordern, von nun werden sie nur noch steigen. Der SMV zeigt damit, wie wenig er erreichen konnte, denn die Mieten sind auch unter den besten Konditionen immer weiter gestiegen. Freilich sind für den SMV tiefere Mietzinse kein erklärtes Ziel. Er will gemäss seiner Selbstbeschreibung einzig «sehr stark» steigende Mieten «bei Mietwechsel» bekämpfen. Auf der Medienkonferenz wurde höflich an die VermieterInnen appelliert, sie mögen doch «die Mietzinse von sich aus» senken, und schön keynesianisch erinnerte er daran, dass die MieterInnen dadurch mehr Geld für den Konsum übrig hätten.
Die PdA Schweiz ist die einzige Partei, die die Einfrierung der Mietpreise in ihrem Parteiprogramm hat. Weder SP und Grüne noch nicht einmal die Alternative Liste in Zürich fordern Vergleichbares. In der gegenwärtigen Situation ist das nicht genug: Wir müssen Mietzinssenkung fordern, unabhängig vom Stand des Referenzinses! Und wir brauchen endlich eine wirklich kämpferische MieterInnenorganisation.