Die türkische Grossoffensive in Afrin ebenso wie der entschlossene Widerstand der kurdischen Milizen erreichte eine breite Medienöffentlichkeit. Die aktuellen Aggressionen im Kontext der vorhergehenden Entwicklungen unter Erdogans Diktatur.
Vor Kurzem haben die türkische Armee und Al-Qaida-Gruppen gemeinsam, auf Befehl Erdogans, den nordsyrischen Kanton Afrin und seine BewohnerInnen mit intensivem Artilleriebeschuss angegriffen. Der türkische Verteidigungsminister erklärte die seit langem angekündigte Offensive damit für eröffnet. Während der Demonstration in Zürich gegen das Erdoganregime am 20. Januar, zu welcher der Demokratische Kongress der Völker – Schweiz (HDK-A) aufgerufen hatte, erhielten die Demonstrierenden Nachricht von erneuten Luftangriffen. Nach Angriffen aus der Luft, begann am 21. Januar die Bodenoffensive. Schon in der Nacht zuvor rückten Panzer in Syrien ein. Von der syrischen Regierung wird der Überfall der Türkei auf Afrin entschieden verurteilt. Unterstützt wird der Angriff, der türkischen Regierungskreisen zufolge Stellungen kurdischer Milizen zum Ziel hat, von der oppositionellen «Freien Syrische Armee».
Ultimatum gestellt
Afrin ist der westlichste Kanton der Demokratischen Konföderation Nordsyrien, einem de facto autonomen Gebiet in Syrien, welches auch als Rojava bekannt ist. Die Region, welche Erdogan zum «Terrornest» erklärt hat, steht unter der Kontrolle der kurdischen Volks- bzw. Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) von der Partei der Demokratischen Union (PYD). Es sind diese Volksverteidigungseinheiten, die massgeblich daran beteiligt waren, den Islamischen Staat, abwertend Daesh genannt, zurückzudrängen, deren Präsenz entlang der türkischen Grenze Erdogan als «akute Bedrohung» bezeichnet.
Wir kennen die «Krieg gegen den Terror»-Rhetorik. Mit ihr hat insbesondere die US-Regierung schon viele, teils völkerrechtswidrige imperialistische Kriege gerechtfertigt.
Welche Motive hat Erdogan, um Afrin anzugreifen? Mit seinem Angriff, will Erdogan insbesondere die US-Regierung aus der Reserve locken. Diese errichtete in dem von syrischen KurdInnen kontrollierten Nordostsyrien militärische Stützpunkte und unterstützte die «Anti-IS-Koalition» von kurdischen Organisationen mit Waffenlieferungen. Mit der Ankündigung, mithilfe der YPG eine Grenztruppe bilden zu wollen, die Erdogan als «Armee des Terrors» beschimpft, hat Trump das Fass zum Überlaufen gebracht. Erdogans Angriff kommt einem Ultimatum gleich. Er weiss, dass die Türkei für die USA als Pufferzone zum Nahen Osten eine strategisch wichtige Stellung inne hat. Auch da die USA ihre Militärbasen aus der Türkei nur ungern zurückziehen würde, kann Erdogan seine Position als Nato-Bündnisparter ausnutzen. Er zwingt die US-Regierung, Farbe zu bekennen: Sie, also die KurdInnen, oder ich!
Im weissen Palast
Die westlichen Mächte und bürgerlichen Medien haben Edrogans Gewalttaten und Säuberungsaktionen im eigenen Land bisher grosszügig ignoriert oder toleriert. Dies war am Aufbau des notwendigen Selbstvertrauens für ein solches Pokerspiel bestimmt nicht unerheblich. So berichtete der VORWàRTS im Oktober 2016 wie Erdogan, der enge Partner der deutschen Bundesregierung, der Nato und der EU unter dem Deckmantel der Anti-Terror-Verteidigung die Bevölkerung terrorisiert und die Jagd gegen kurdische Minderheiten und progressive Linke eröffnet hat. Seit 2015 verhängte er insbesondere im Südosten des Landes, in Nordkurdistan (Bakur) Ausgangssperren, wobei ganze Stadtteile unter Artilleriebeschuss genommen wurden. Zehntausende Polizeieinheiten, Militärs und Sondereinsatzkommandos marschierten unter Erdogans Befehl in Städte ein, die Wasserleitungen wurden gekappt oder verseucht und Hilfsgüter wurden nicht durchgelassen. ScharfschützInnen schossen zu den Sperrzeiten auf alles, was sich bewegte, selbst auf Kinder. ÄrztInnen, die Verletzten Hilfe leisten wollten, wurde mit dem Tod gedroht. Erdogan hat das Parlament inoffiziell aufgelöst und will sich selbst von seinem weissen Palast aus als Diktator feiern lassen, ganz im Sinne des Führer-Prinzips. Die türkische Nation wird mit Rückbezug aufs osmanische Grossreich hochstilisiert, welches von fremden Einflüssen und interner LandesverräterInnen gereinigt werden muss. Wenn das keine faschistischen Methoden sind, was dann? Offenkundig ist auch die Unterdrückung der ArbeiterInnenbewegung, wie sie für den Faschismus essenziell ist. Die kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kommunistische Partei Kurdistans wurden verboten und zu Terrororganisationen erklärt. Auch Mitglieder der Demokratischen Partei der Völker HDP wurden getötet und inhaftiert. AkademikerInnen und ArbeiterInnen können jederzeit von ihren Posten entlassen und durch AKP-freundliche Personen ersetzt werden. Kürzlich wurde sogar ein Dekret erlassen, welches Straffreiheit für Morde an Erdogan-KritikerInnen garantiert. Die Gewalt an Frauen und Homophobie nimmt zu, das heiratsfähige Alter soll für Mädchen auf 9 Jahre herabgesetzt werden.
Freiheit für politische Gefangene!
Die Partei der Arbeit und die Kommunistische Jugend der Schweiz haben sich der Demonstration gegen das Erdogan-Regime angeschlossen und sichern den von der türkischen Regierung verfolgten Organisationen und Minderheiten ihre volle Solidarität zu. Sie fordern das sofortige Ende des Krieges gegen die KurdInnen und fortschrittlichen Menschen in der Türkei und in der Umgebung sowie die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen.
Speziell fordert sie die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan, einen Bericht über seinen gegenwärtigen Gesundheitszustand und dringliche Menschenrechtshilfe in kurdischen Gebieten. Die Schweiz ist aufgefordert, sofort jede politische und ökonomische Unterstützung des illegitimen, diktatorischen Regimes unter Erdogan abzubrechen und jede ihr verfügbaren diplomatischen und politischen Mittel anzuwenden, um die Freilassung der politischen Gefangenen voranzutreiben. AKP-nahe und türkisch-faschistische Gruppen in der Schweiz müssen verboten werden, damit die Sicherheit der KurdInnen und fortschrittlichen TürkInnen in der Schweiz gewährleistet werden kann.
Faschistische Methoden
Aus der Geschichte lernen wir, dass Figuren wie Erdogan, Trump und Hitler besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten an Machtpositionen gelangen, da ihre faschistischen Methoden dazu eingesetzt werden, den GrosskapitalistInnen weiterhin Profite zu garantieren. Die dafür nötige verschärfte Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung erfordert den Angriff auf hart erkämpfte demokratischen Rechte und jeglicher progressiven Strömungen, welche diese auszuweiten versuchen. Es handelt sich also nicht um versehentliche Fehltritte, um irrationale Folgen eines rationalen Gesellschaftssystems. Es handelt sich um eine rationale Methode der herrschenden Klasse, ein irrationales System der systematischen Ausbeutung, den Kapitalismus, zu erhalten.
Das Verstehen dieser Zusammenhänge ist elementar, um Angriffe auf unsere demokratischen Rechte vor Ort und international wirksam und mit geeinten Kräften entgegentreten zu können. Aus einer internationalistischen marxistischen Perspektive, rufen wir zur Solidarität auf und zum Zusammenhalt aller ausgebeuteten und unterdrückten Bevölkerungsgruppen.