Mehr als 8000 Menschen, Berufsleute, solidarische Eltern und GewerkschafterInnen, demonstrierten in Lausanne im Rahmen eines Aktions- und Streiktags gegen die von den Gemeinden verschlechterten Bedingungen in den kommunalen Kindertagesstädten.
«Dégât des normes, dégâts énormes» («Schädliche Normen, enorme Schäden»), oder «Educateurs/trices en grève? Non, en colère!» («ErzieherInnen im Streik? Nein, in Wut!») war auf Schildern und Transparenten von Demonstrierenden zu lesen, die in Lausanne am 13. November gegen den neuen Bezugsrahmen der interkommunalen Stelle für Ausserschulisches (EIAP) des Kantons Waadt demonstrierten. GewerkschafterInnen, betroffene Berufsleute und Eltern vereinigten ihre Kräfte in einer historischen Mobilisierung gegen die neuen Normen. Diese sehen vor, für die Betreuung insgesamt weniger Personal und mehr Ungelernte einzustellen und die Gruppen zu vergrössern.
Die Demonstration fand im Rahmen eines kantonalen Streiks statt, der von der Gewerkschaft des öffentlichen Diensts VPOD/SSP unterstützt wurde. Vor allem die Lausanner Kindertagesstätten waren im Ausstand, mit der Einwilligung des städtischen Diensts für Tagesbetreuung von Kindern. Die Hälfte der 15 kommunalen Kinderbetreuungsstätten oder Lebenszentren für Kinder (Centres de vie enfantine CVE) waren laut VPOD-Sekretärin Maria Pedrosa seit dem Morgen im Streik, der insgesamt 16 Stunden gedauert habe. Alle Zentren mit Kindern von sechs bis zwölf Jahren hatten ihre Streikteilnahme für den Nachmittag zugesagt.
Mangelhafte Anerkennung
Tamara, Erzieherin in einem Kinderzentrum und Teilnehmerin an der Demonstration, streikte den ganzen Tag. Auch sie ist nicht zufrieden mit den jetzt verordneten Massnahmen. «Die Anwesenheit von genügend ausgebildetem Personal ist unabdingbar, um die notwendige Verantwortung wahrnehmen zu können für einzelne und alle anwesenden Kinder. In der Ausbildung lernen wir deshalb mit individuellen Bedürfnissen und den gesamten Anforderungen von Kindergruppen umzugehen.» Tamara demonstriert auch, um auf die mangelhafte Anerkennung ihres Berufs aufmerksam zu machen. «Die geplante Revision zeigt die Verkennung unserer Arbeit. Frau zu sein genüg einfach nicht für die Betreuung der Kinder, es ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Gehen wir zum Garagisten, erwarten wir auch, dass er mehr kann als nur ein Rad zu wechseln.»
Absprache mit den Eltern
Eine grosse Solidarität unter den Eltern verstärkte die politische Aktion. Tamara und ihre KollegInnen fanden es wichtig, sie frühzeitig zu informieren und einen Minimalservice anzubieten. «Wir sprachen uns mit den Eltern ab. Sie hatten ein offenes Ohr und viele unterstützten uns. Die meisten konnten sich organisieren: Entweder fanden sie eine andere Betreuung oder holten ihre Kinder später ab. Einzelne nahmen sogar frei.» Andernorts im Kanton wurden aus Solidarität die CVE-Stätten während beschränkter Zeit geschlossen oder symbolische Aktionen durchgeführt wie Standaktionen, Flyer verteilen und das Tragen von Armbändern und schwarzen T-Shirts. Nach VPOD-Angaben waren Angestellte von Arbeitgebern unter Druck gesetzt worden, von einer Teilnahme abzusehen. Eine an der Demo angetroffene CVE-Direktorin will weder ihren Vornamen angeben noch die Gemeinde, in der sie arbeitet. «Wir machen uns Sorgen um die Kinder. Die neuen Normen nehmen keine Rücksicht auf die Entwicklung der Kinder. Und auch für die Teams ist es ein Stress.» Die Direktorinnen hätten zwar kein Recht zu streiken, sie seien aber trotzdem schwarz gekleidet und die beteiligten sich am Protest.
Neue Verhandlungen gefordert
Die Gewerkschaft und die Angestellten fordern von der interkommunalen Stelle für Ausserschulisches EIAP die Wiederaufnahme der Verhandlungen und die Beibehaltung der noch geltenden Normen bis zu einer neuen Vereinbarung. Sollte die Antwort der interkommunalen Stelle nicht befriedigend sein, entscheidet das Personal über die Fortsetzung der Mobilisierung.