sah. Nach dem Streik ist vor dem Streik: Aktivist*innen in Luzern fordern in einer Petition an den Regierungsrat, sich für tatsächliche Gleichstellung einzusetzen und schreiben einen offenen Brief zum Thema Victim Blaming im Rahmen eines Gerichtsprozess.
Zwar geht der 14. Juni 2019 als zweiter schweizweiter Frauen*streik fulminant in die Geschichte ein, doch die Gleichstellung von Frau* und Mann* wird, so wie sie in der Bundesverfassung und den Gesetzen verankert ist, nicht tatsächlich umgesetzt. Der Kampf geht also weiter: aufgrund eigener Erfahrungen oder aus Solidarität.
So ist in Luzern seither einiges passiert. Nachdem 10000 Frauen* und Männer* im ganzen Kanton am Arbeitsplatz oder am Hauptstreikort am Theaterplatz ihren Missmut und gleichzeitig Stärke demonstrierten, hat sich das Komitee nicht aufgelöst, sondern ist sogar grösser geworden. Neue Arbeitsgruppen wurden gebildet, einige weiterentwickelt und mehr sollen noch gegründet werden. Doch das ist noch nicht alles: Die Aktivist*innen des Frauen*streik-Komitees in Luzern fordern mit einer Petition an den Regierungsrat, die tatsächliche Gleichstellung von Frau* und Mann* ins neue Legislaturprogramm aufzunehmen. Die Umsetzung der breit diskutieren Anliegen des Streiks sollen so in den politischen Alltag der kommenden Legislatur Eingang finden.
Was tut der Kanton Luzern?
Konkrete Massnahmen kann ein ausführlicher Planungsbericht erläutern. Der Kanton Luzern kennt seit 1995 ein eigenes Gleichstellungsgesetz. Was wird in diesem Rahmen konkret getan, um die Gleichstellung umzusetzen? Und welche Massnahmen sind in Zukunft geplant? Eine Übersicht über bestehende, geplante oder weitere Massnahmen im Kanton Luzern ist nun eine notwendige Grundlage, um endlich Fortschritte zu erzielen. So wollen die Aktivist*innen Einsicht in einen ausführlichen Planungsbericht über die Gleichstellungspolitik haben. Darin soll eine Stellungnahme zu Fragen enthalten sein wie: Wie genau stellt der Kanton die Lohngleichheit bei der Ausrichtung von Staatsbeiträgen sicher? Was tut der Kanton Luzern für die Sensibilisierung gegen Geschlechterstereotypen? Wie wird sichergestellt, dass Frauen* und Männer* in der kantonalen Verwaltung die gleichen Aufstiegschancen haben? Über diese Aktion wurde schweizweit, wie beispielsweise im SRF oder auch dem Zofinger Tagblatt berichtet. Dieser Erfolg zeigt, dass es sich lohnt, Druck zu machen. Vielleicht wagen auch weitere Kollektive in anderen Städten ähnliche Schritte.
Sichtbar machen
Um selber wichtige Themen publik und aktiv auf Missstände aufmerksam zu machen, wird es in Luzern neu eine Redaktion geben, welche Anliegen des Frauen*streik-Komitees in den Medien vertritt. Die Redaktion.Frauenstreik.Luzern will schreiben, vermitteln und sichtbar machen. Im Fokus sind dabei neben Ungerechtigkeit, Irritierendem oder Sexistischem auch positive Veränderungen in der Gleichstellung.
Eine erste Aktion der Redaktion hat bereits national Aufmerksamkeit erregt, unter anderem berichtete die Schweizer Pendler*innenzeitung 20 Minuten davon. Mit einem offenen Brief, der ans Kantonsgericht Luzern ging, forderte die Gruppe eine Stellungnahme des Kantonsgerichts im Umgang mit Opfern von sexueller Gewalt. Bei einem aktuell geführten Prozess belästigte ein Mann mehrere Frauen sexuell und vergewaltigte eine. Nach der Verurteilung legte der Verteidiger des Angeklagten Berufung ein. Der Fall wird nun durch ein übergeordnetes Gericht überprüft. Im Kantonsgericht befragte man ein Opfer und sie musste schildern, was ihr widerfahren war.
Diese Befragung der Frau und das Vorgehen des Gerichts wird nun in einem offenen Brief des Luzerner Frauen*streik-Komitees scharf kritisiert. Konkret listeten die Aktivist*innen verschiedene Punkte auf, wie die Fragen vom Gericht gestellt wurden: welche Kleider die Frau trug, wie kurz ihr Rock und wie tief ihr Ausschnitt war. So schrieben Aktivist*innen im offenen Brief: «Fragen zur Länge eines Rockes und der Tiefe eines Ausschnitts sind in dieser Sache nicht von Belang und implizieren eine Mitschuld des Opfers. Victim Blaming nennt man das: die gesellschaftliche Tendenz, eher das Verhalten des Opfers (meist weiblich) zu hinterfragen, als den Täter (meist männlich) zur Verantwortung zu ziehen».
Das Fazit dazu: keinerlei Respekt gegenüber dem Opfer. Frauen* sind schon genug belastet, als Opfer vor ein Richtergremium treten zu müssen. Man wird aber «vorgeführt», wenn man sich in diesem Zusammenhang Fragen über die Kleidung gefallen lassen muss. Dies zeigt keinerlei Respekt vor der Gefühlslage der Frau*. Das Komitee fordert, dass «solche impliziten Zuweisungen von Mitschuld der Opfer an Sexualdelikten unterlassen werden. Zudem solle die Sensibilität bei der Befragung von Gewaltopfern beim Gericht erhöht werden.