Ohne konsequente Einhaltung der Schutzmassnahmen droht ein Wiederanstieg der Fallzahlen, sagen die Behörden. Doch in ganzen Branchen – dem Detailhandel zum Beispiel – fehlt ein Schutzkonzept. Genauso schlecht sieht es bei den Kontrollen aus. Der Bundesrat muss jetzt hinschauen und für klare Verhältnisse sorgen. Das nützt allen.
Hundertausende von Beschäftigten sollen in den nächsten Wochen wieder die Arbeit aufnehmen, unter anderem im Detailhandel. Doch dort weigert sich der Branchenverband Swiss Retail ein verbindliches Schutzkonzept für die Branche zu erlassen. In der Mehrheit der Läden wurden auch die Beschäftigte noch nicht konsultiert – wie das im Gesetz vorgesehen wäre. Auch in anderen Branchen wurden die Sozialpartner weitgehend nicht einbezogen und zumeist ungenügende Konzepte verabschiedet. Wenn der Bundesrat – wie er es angekündigt hat – eine weitergehende Öffnung von der strikten Einhaltung der Schutzmassnahmen abhängig macht, dann muss er nun entweder einen Stop verfügen oder endlich verbindliche und abgesprochene Schutzkonzepte einverlangen.
Bereits bisher Vollzugsnotstand wegen zu wenigen Kontrolleuren
Seit dem Beginn der Covid-19-Krise hat die Unia den Kontrollinstanzen mehr als 4’000 Hinweise von betroffenen Arbeitnehmenden weitergeleitet, dass die Schutzmassnahmen an ihrem Arbeitsplatz nicht eingehalten werden. Das Problem: Es fehlen die Kontrolleure, um nur schon diesen Meldungen nachzugehen. Rund 30 Kontrolleure der Suva sollen schweizweit mehr als 30’000 Baustellen und die Industriebetriebe kontrollieren. Das ist schlicht unmöglich. Die Suva kontrolliert nach eigenen Angaben weniger als 10 Prozent ihres Zuständigkeitsbereichs. Mehr Kontrollen werden dort getätigt, wo die Kantone und die Kontrolleure der paritätischen Kontrollorgane der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitkontrollieren; wobei die Kantone eigentlich auch noch die Dienstleistungsbetriebe kontrollieren sollten. Die Ressourcen reichen bei weitem nicht.
Gesundheitsschutz verbessern und durchsetzen: Jetzt!
Unia ruft den Bundesrat und die kantonalen Behörden auf, ihre eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen und wirksame Schutzbestimmungen durchzusetzen. Um die Gesundheit der Arbeitnehmenden und so der ganzen Gesellschaft zu schützen, braucht es insbesondere:
-Die Schutzkonzepte des Seco müssen für alle Branchen verbindlicher Mindeststandard sein. Die Branchenkonzepte müssen mit den Sozialpartnern vor der Wiedereröffnung erarbeitet, dann umgesetzt und kontrolliert werden.
-Die Beschäftigten müssen in den Betrieben bei der Umsetzung der Schutzkonzepte einbezogen werden. Sie kennen die Verhältnisse vor Ort am besten.
-Die Kantone müssen für die Kontrollen die notwendigen Ressourcen bereit stellen. Sie sollen die Kontrolleure der paritätischen Kontrollorgane beiziehen, um so rasch die Zahl der Kontrollen deutlich zu erhöhen.
-Die staatlichen Behörden müssen gemeinsam mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmendenorganisationen die Wirkung der Schutzkonzepte regelmässig evaluieren und die notwendigen Anpassungen vornehmen. Die tripartite Steuerung hat sich in der aktuellen Krise bewährt.
-Für die Arbeitnehmenden, die in den letzten Wochen unter schwierigen Rahmenbedingungen weiterarbeiteten – im Detailhandel oder in der Pflege zum Beispiel – braucht es mehr als Applaus. Sie brauchen mittelfristig bessere Löhne und Arbeitsbedingungen und kurzfristig eine Durchhalteprämie.
Die Umsetzung dieser Forderungen ist nicht nur am heutigen 28. April, dem internationalen Tag der Arbeitssicherheit, wichtig. Sie ist zwingen, um einen Weg aus der Krise zu finden.
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