Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit fördert die Beteiligung privater Unternehmen
im Management globaler Wasserressourcen. Grüner Kapitalismus verspricht, dass Nachhaltigkeit und Wachstum
vereinbar wären, wodurch die wahren Mechanismen, welche die Umweltprobleme erzeugt haben, verschleiert werden. Der Kaffeeanbau in Vietnam verdeutlicht dies exemplarisch.
Schlittern wir auf eine Wasserkrise zu oder befinden wir uns bereits mittendrin? Lebt man in der Schweiz, dem «Wasserschloss Europa», scheinen einen solche Fragen nicht direkt zu betreffen – gibt es hier doch Wasser zur Genüge. Dies hängt allerdings auch damit zusammen, dass die hier konsumierten Agrar- und Industrieprodukte zu rund 80 Prozent durch ausländische Wasserreserven gespeist werden. Die Schweiz habe deshalb «ein Interesse und die moralische Verpflichtung» Ländern mit weniger vorteilhaften Bedingungen unter die Arme zu greifen, schreibt die Eidgenössische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).
Schweizer Unternehmen profitieren
Unter Aussenminister und FDPler Ignazio Cassis hat man dafür die perfekte Lösung gefunden: Sie nennt sich «grünes Wachstum». So sollen in Zukunft auch – oder vor allem – die Schweiz und ihre Unternehmen von der Schweizer Entwicklungshilfe profitieren. Dafür werden momentan sogenannte öffentliche-private-Partnerschaften (engl. Public-Private- Partnerships) ausgebaut. Dies sind Verträge, die Staaten und Konzerne miteinander schliessen, um Verantwortung und Aufgaben zu teilen. Bezogen auf das Wasser hat man dafür 2008 am WEF die «2030 Water Resources Group» (WRG) gegründet – eine Public-Private-Partnership vorwiegend bestehend aus staatlichen Organisationen, multinational agierenden Konzernen (wie etwa Nestlé, Coca Cola, Pepsi etc.) und Entwicklungsbanken wie der Weltbank, unteren deren Fittichen die Gruppe gedeiht. Die nach eigenen Aussagen «unique public-private-civil society collaboration» verfolge das Ziel, Interessenvertreter zusammenzubringen um Wasserknappheit zu reduzieren. Jede Region sei als eigenständiger Fall zu betrachten, dennoch ist die propagierte Lösung immer dieselbe: eine Public-Private-Partnership.
Mehr Kaffee mit weniger Wasser?
Doch wie funktioniert das genau? Ein Beispiel eines Vorzeigeprojektes der DEZA in Kooperation mit Nestlé und der WRG (2014 bis 2017) soll dies verdeutlichen. Nestlé kauft rund 20 Prozent des gesamten vietnamesischen Robusta Kaffees und hat daher ein vitales Interesse an einer «nachhaltigen» Belieferung. Leider ist der intensive Kaffeeanbau (neben Reis) das Hauptproblem, warum im zentralen Hochland Vietnams der Grundwasserspiegel um rund 20 Prozent gesunken ist. Um dem entgegenzuwirken, hat das vietnamesische Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bereits beschlossen, das Kaffeeanbaugebiet um sechs Prozent zu reduzieren. Da die WRG jedoch befürchtet, dass dies die Mehrheit der 600000 Kaffeebäuer*innen treffen würde, schlägt sie vor, die Bauern* und Bäuerinnen* stattdessen durch Nestlé schulen zu lassen, wie Wasser eingespart werden kann. Realistischerweise könne man so sechs Prozent Wasser einsparen – obwohl mehr als 30 Prozent nötig wären, damit es auch in Zukunft genügend Wasser für alle gibt! Für die DEZA ist dies trotzdem «die perfekte Lösung»: Die Bäuer*innen könnten jetzt noch mehr Kaffee anbauen und dadurch sei die Lebensgrundlage von zwei Millionen Menschen geschützt.
Tatsächlich ist es mehr als fraglich, von welcher Lebensgrundlage hier die Rede ist. Denn durch die weltweite Überproduktion ist der Kaffeepreis derart gesunken, dass der Anbau kein wirklich profitables Geschäft ist. Zusätzlich bleibt offen, wie viel der sechs Prozent Wassereinsparungen übrigbleibt, wenn nun noch mehr Kaffee angebaut wird. Vielleicht war die Idee des vietnamesischen Ministeriums, das Kaffeeanbaugebiet an sich zu reduzieren, doch gar nicht so schlecht. Könnte man nicht stattdessen auf andere, weniger wasserintensive Wirtschaftszweige setzen? Wer profitiert schlussendlich vom günstigen Kaffee – die Schweiz und ihre Unternehmen? Nebenbei beinhaltete das Projekt die Kartierung sämtlicher Wasserreserven Vietnams, dank dessen Nestlé nun das volle Potential des Landes bekannt ist.
A Global Water Governance System
Grünes Wachstum geht immer auch mit einem Ausbau der kapitalistischen Wirtschaftsweise einher. Die WRG warnt, dass mancher Bedarf nicht gedeckt werden könne, sollten ihre Massnahmen nicht umgesetzt werden. Dabei geht vergessen, dass der aktuelle «Bedarf» die benannten Umweltprobleme überhaupt erst erzeugt hat.
Nachhaltigkeit wird hier verstanden als ein «längerfristiges Wirtschaften», dem sich Mensch und Natur unterzuordnen haben. Durch Kooperationen wie der WRG verhandeln Staaten und Unternehmen auf Augenhöhe, während die Zivilgesellschaft ausgeschlossen wird und keine Einsicht in die Verträge erhält. Es geht immer auch um den Zugang und die Kontrolle über globale Wasserressourcen: Die DEZA verfolge mit ihrem Global Programm Wasser auch das Ziel, einen «globalen Wasser-Regierungsapparat» (engl. «a global water governance system») zu schaffen und darin die «Rolle eines anerkannten internationalen Akteurs» (engl. «a recognised international player») zu spielen. Die Bevölkerung kann währenddessen über Projektbeschriebe rätseln, die das altruistische Handeln in den Vordergrund stellen und das Schweizer Eigeninteresse nicht oder nur verklausuliert kommunizieren.
Vorwärts-Link
https://www.vorwaerts.ch/inland/gruener-kapitalismus-das-geschaeft-mit-dem-wasser/