Seit Ende August ist ein bilateraler Waffenstillstand zwischen Farc-RebellInnen und den Regierungstruppen von Kolumbien in Kraft. Am 2. Oktober entscheidet das kolumbianische Volk in einem Referendum über das Kriegsende. Ob es allerdings zu einem dauerhaften Frieden kommt, ist weiterhin fraglich.
«Der Krieg ist beendet. Leben wir als Brüder und Schwestern zusammen. Mögen sich nie wieder die Waffen der Republik auf die Menschen ihres Volkes richten. Möge nie wieder ein Aufstand notwendig werden. (…) Es lebe der Frieden!» Mit diesen Worten verkündete der Oberkommandierende der «Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee» (Farc-EP), Timoleón Jimenez, nach über fünfzig Jahren andauernden Kampfhandlungen mit den kolumbianischen Streitkräften am 29. August einen «definitiven, bilateralen Waffenstillstand».
Friedensvertrag und Volksabstimmung
Diesem historischen Moment waren fast vier Jahre intensive Verhandlungen unter Vermittlung der Regierung Kubas vorausgegangen. Die Delegationen in Havanna hatten zuletzt nahezu ununterbrochen getagt, bis am 24. August das Schlussabkommen unterzeichnet wurde, das nun in einen Friedensvertrag münden soll. Dieser sieht vor, dass sich die rund 8000 KämpferInnen der Farc-EP in den nächsten Monaten in gesonderten Zonen versammeln und ihre Waffen unter UN-Aufsicht versiegelt werden. Vom 13. bis 19. September findet in San Vicente del Caguán im Süden Kolumbiens die 10. Nationale Konferenz der Guerillagruppe statt, der die Umwandlung von einer bewaffneten Organisation in eine legale politische Bewegung einleiten soll. Ende September soll dann der Friedensvertrag offiziell unterzeichnet werden und am 2. Oktober wird eine Volksabstimmung in Kolumbien zum Ende des Konflikts stattfinden. Man rechnet mit einer mehrheitliche Zustimmung der kolumbianischen Bevölkerung zu einem dauerhaften Frieden. Bei einem Ja tritt danach ein Mechanismus der «speziellen Übergangsjustiz für den Frieden» in Kraft. Vor einer eigens dafür eingerichteten Instanz müssten sich dann alle an Verbrechen im Zusammenhang mit dem internen bewaffneten Konflikt Beteiligten verantworten, den Opfern wurden Entschädigungen in Aussicht gestellt und die Guerilla-KämpferInnen sollen wieder in das zivile Leben eingegliedert werden.
Kommt Kolumbien zur Ruhe?
Laut staatlichen Angaben sind 6,8 Millionen Menschen Opfer des Bürgerkriegs in Kolumbien geworden, an dem neben Farc-EP und Regierung auch paramilitärische Gruppen und weitere Guerilla-Organisationen beteiligt sind. 86 Prozent der Betroffenen wurden aus ihren Gemeinden vertrieben, 14 Prozent wurden Opfer von Morden, Entführungen, gewaltsamen Verschwindenlassens, Folter und Vergewaltigung. Mindestens 220 000 Menschen wurden getötet, berichtet das deutschsprachige Nachrichtenportal «amerika21».
Obwohl viele fortschrittliche KolumbianerInnen und soziale Organisationen den nach 52 Jahren bewaffneter Konfrontation eingeleiteten Friedensschluss als historisch betrachten, ist unklar, ob Kolumbien dadurch wirklich zur Ruhe kommt. Einige Gebiete, aus denen sich die Farc als grösste operierende Guerillagruppe bereits zurückgezogen hat, werden von Paramilitärs besetzt und die parlamentarische Rechte um Ex-Präsident Álvaro Uribe hat eine wütende Kampagne gegen das Friedensabkommen entfesselt. Die etwa 2500-Mann starke zweitgrösste Guerillabewegung Nationale Befreiungsorganisation (ELN) wolle das Abkommen zwischen den Farc und der Regierung zwar respektieren, man sehe aber «keinen klaren Willen der nationalen Regierung zum Frieden», heisst es in einem vom obersten ELN-Comandante Nicolás Rodrígez Bautista unterzeichneten offen Brief an die Farc. Das Ziel Bogotás sei es lediglich die Guerilla zu entwaffnen, «ohne dass es im Gegenzug die wirkliche Bereitschaft gibt, Abkommen auszuhandeln, die tatsächlich die Ursachen für den politischen, sozialen und bewaffneten Konflikt beseitigen.»
Ermordete AktivistInnen
Unterdessen sind bäuerliche, indigene und linke AktivistInnen weiterhin staatlicher Repression und paramilitärischer Drohungen bis hin zu Mord ausgesetzt. Während die Farc-Guerilla bereits seit einem Jahr einen einseitig erklärten Waffenstillstand eingehalten und nur auf Angriffe der Armee reagiert hat, wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation «Somos Defensores» allein seit Anfang dieses Jahres 35 AktivistInnen ermordet. Die grösste Gefahr geht dabei von ultrarechten Todesschwadronen aus, die im Interesse der GrossgrundbesitzerInnen und Drogenbarone handeln, welche sich gegen die in Havanna vereinbarte Agrarreform und den Massnahmen zur Beseitigung der Drogenkriminalität zur Wehr setzen.
Ob und wie die sozialen Bewegungen in der Lage sein werden, den neuen Herausforderungen zu begegnen und das brennende Thema der sozialen Gerechtigkeit auf die politische Agenda zu setzen, ist eine der zentralen Fragen der kommenden Zeit. Denn noch ist keine der zentralen Ursachen, die in den 60er Jahren zum Entstehen der «Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens» geführt haben, beseitigt. Das südamerikanische Land zählt zu jenen Staaten Lateinamerikas, in denen der Reichtum am ungerechtesten verteilt ist. Dementsprechend nannte Farc-Delegationsleiter Iván Márquez das Friedensabkommen von Havanna «keinen End-, sondern Ausgangspunkt», damit das kolumbianische Volk in seiner Vielfalt die sozialen Veränderungen in Angriff nehmen kann.