Durch das Verarbeiten und den Verkauf von zuvor weggeworfenen Lebensmitteln bekämpft der Verein grassrooted den Food Waste. Generell geht es dem Verein um mehr Bewusstsein für die Kreisläufe von Landwirtschaft und Konsum.
Mit seiner Arbeit versucht grassrooted ein Verständnis für den gesamten Nahrungsmittelkreislauf zu schaffen und so die damit verbundenen Probleme anzugehen. Diese sind Bezugsverlust zu Land und Boden sowie Food Waste. Die Idee zu grassrooted kam meinem Studienkollegen Martin Schiller und mir. Und aus der Idee entstand schnell ein konkretes Projekt.
Dass im heutigen Lebensmittel- und Landwirtschaftssystem so einiges verkehrt läuft, haben viele bemerkt. Wir entfernen uns immer weiter vom natürlichen Lebensmittel, der Trend hin zu Convenience, Fast Food oder Superfood trägt da seinen Teil dazu bei. Doch wie wir mit den immer grösser werdenden Mengen an Abfall oder Food Waste umgehen und diese wieder auf ein tragbares Niveau senken können, scheint nicht auf der Prioritätenliste von Frau* und Herrn* Schweizer zu stehen. Dem will grassrooted ein Ende setzen, gegen dieses Nichtstun soll gekämpft werden. Ein Land, welches schlicht nicht in der Lage ist, sich selber zu versorgen, darf es sich nicht leisten, mehr als einen Drittel seiner Lebensmittel zu verschwenden. Es darf es sich nicht leisten, hochwertige, unter teuersten Bedingungen hergestellte Produkte sinnlos wegzuwerfen, dafür aber im Ausland umso mehr billig einzukaufen. Die Mitglieder von grassrooted fragten sich deshalb, ob sie es schaffen, einen Teil des Food Wastes, genauer unförmiges und nicht normgerechtes Gemüse, wieder zurück in den Kreislauf – in das System – zu bringen, sprich zu verarbeiten, zu verkaufen oder andersweitig unter die Leute zu bringen.
28 Tonnen Bio-Tomaten
Durch diverse Kontakte zu Bauern*, Bäuerinnen*, Hersteller*innen und Verkäufer*innen konnte bald ein Netzwerk aus Gleichgesinnten zusammengebracht werden. Nach einigen Gesprächen und Konzeptideen kam schnell ein Ereignis, welches viel verändern sollte. Letzten Sommer konnte grassrooted mit seiner Tomatenaktion viele Tonnen Gemüse vor dem Vernichten retten.
Grassrooted brachte an zwei Tagen im Juni 2018 sage und schreibe 28 Tonnen bester bio Rispentomaten unter die Leute. Diese Zahl scheint auch nach mehrmaligem Erzählen noch unwirklich. Die Tatsache, dass diese Menge an Tomaten, welche an jenen Sommertagen verkauft wurden, ein kleiner Tropfen auf den heissen, ja glühenden Stein war, ist schwierig zu glauben aber wahr. Auch das Wissen darüber, dass im selben Zeitraum, aber am anderen Ende der Lebensmittelkette, diese fasst dreissig Tonnen bester Tomaten weggeworfen wurden, liegt schwer im Magen. Doch diese Aktion hat noch einen ganz anderen grossen Mehrwert generiert. Die Tatsache, dass zehntausende Menschen in der Schweiz davon erfahren haben und sich mit der Thematik der Überschüsse vielleicht zum allerersten Mal auseinander gesetzt haben, ist eine tolle Leistung. Nur durch ein aktives Sensibilisieren auf heikle und unangenehme Thematiken, durch eine Debatte darüber, sowie durch das Erleben von Lösungsansätzen, kann auch anderes und neues entstehen. Es braucht andere Lösungsansätze und eine Zusammenarbeit von unterschiedlichen Entscheidungsträgern um ein System zu verändern oder ein neues zu bauen. Die verschiedenen Projekte und Sensibilisierungsversuche von grassrooted sollen einen Beitrag leisten für eine lebenswertere Welt.
Kreislaufäufe
Heutzutage denken wir viel zu wenig über das grosse Ganze nach. Wir haben oft das Verständnis für Zusammenhänge und Abhängigkeiten verloren. Dass Food Waste nur ein Symptom eines sehr viel tiefer liegenden Problems ist, vergessen wir. Doch wenn wir Food Waste minimieren, müssen wir bis zu den Wurzeln graben. Auf der Erde ist alles ein Kreislauf, dies lässt sich beispielsweise mit dem Weg einer Karotte beschreiben. Nachdem sie gesät, gehegt und gepflegt, geerntet und dann verkauft wurde, wird die Karotte zu Kompost, aus welchem dann wieder eine Karotte herangezogen werden kann. Scheinbar völlig natürlich. Doch wenn ein Teil vom Ganzen fehlt, wenn der Kreislauf irgendwo unterbrochen wird, ist es nicht möglich, ihn zu erhalten. Werden die Karotten mit viel Kunstdünger unterstützt, nach dem Ernten aussortiert und der Biogasanlage zugeführt, geht die Rechnung nicht mehr auf.
Auch wir Menschen sind Teil von verschiedenen Kreisläufen, im Besonderen vom landwirtschaftlichen Kreislauf. Wir sind davon abhängig. Mit dieser Abhängigkeit kommen aber auch zwei Tugenden ins Spiel, Verantwortung und Bewusstsein. Durch den Anbau, im speziellen durch den industriellen Anbau von landwirtschaftlichen Gütern, nehmen wir einen erheblichen Einfluss auf den Zustand der Böden, aber auch auf die Versorgungssicherheit unserer Gesellschaft. Um das alles in einer sozioökologisch korrekten Art und Weise zu tun, müssen wir eine gewisse Verbindung zum Land und zu den Produkten aufbauen können. Fehlt diese Verbindung, ist es nur schwer möglich, im Laden die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Gesunder Boden, gesunde Produkte
Grassrooted steht für die Vision, in der landwirtschaftliche Güter wertgeschätzt werden und die Gesellschaft beginnt, auf sozioökologische Art und Weise zu handeln. Konkret heisst das, dass wir wieder einen Bezug zum Boden und zur Landwirtschaft aufbauen müssen. Permakultur ist das bewusste gestalten zukunftsfähiger, ökologisch, ökonomischer und sozial stabiler Systeme; in denen Pflanzen, Tiere und Menschen in Kooperation zusammen leben. Das Grundprinzip der Permakultur ist ein nachhaltiges Wirtschaften mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen dieser Erde. Diese Prinzipien können auf die Landwirtschaft, das Bauen oder auf das soziale Zusammenleben angewandt werden. So können Bäuer*innen wieder regenerative Landwirtschaft betreiben. Ein gesunder Boden und somit gesunde Produkte sind die Grundlage für eine funktionierende und gesunde Gesellschaft.
Grassrooted hat die Vision, dass möglichst keine Lebensmittel fortgeworfen, sondern auch all das «nicht-normgerechte» Gemüse und Obst konsumiert wird. Eine solche Vision ist nur gemeinsam umsetzbar, dafür stehen wir ein, zusammen mit anderen.
Dominik Waser
Mitinitiator des Vereins grassrooted
www.grassrooted.ch