In Luzern wurde am 9. April eine leerstehende Villa besetzt. Es sollte zu einem Kulturtreffen in der Stadt werden. Am letzten Wochenende wurde das Haus von der Polizei geräumt. Radio 3Fach hat mit Simon Steiner von der Gruppe Gundula gesprochen, bevor die Räumung angekündigt wurde.
Jahrelang gab es in Luzern eine lebendige Alternativkultur wie in Bern oder Zürich. Das Zentrum für das alternative Kulturleben war die Boa. Die ehemalige Schlauchfabrik wurde Ende der 80er-Jahre besetzt und fungierte rund zwanzig Jahre lang als Kulturzentrum. 2007 verschwand die Boa und ging zum Teil im neuen Kulturraum Südpol auf. Das subventionierte Projekt der Stadt verunmöglichte allerdings das kulturelle Gedeihen, wie es früher in der Boa möglich war. Seit dem 9. April gibt es aber wieder etwas Hoffnung für experimentierfreudige Kreative. Das Kollektiv Gundula besetzte am Samstagabend eine alte Luzerner Villa. Rund fünfzig AktivistInnen wollen dort ein neues Kulturzentrum schaffen.
Ihr habt hier in Luzern ein Haus besetzt. Wieso?
Simon Steiner: Ich glaube, wir müssen schon am Anfang etwas richtigstellen: Wir haben das Haus nicht besetzt. Das Haus ist von der besitzenden Person während Jahren durch Leerstand besetzt gehalten worden. Wir sind die Gruppe, die das Haus wieder belebt und wieder für die Gesellschaft geöffnet hat. Wir haben nicht das Gefühl, dass wir tonangebend sein müssen in diesem belebten Haus, sondern hier können alle, die daran interessiert sind, dass in Luzern endlich wieder ein Freiraum existiert, unabhängig von der Zielgruppenorientierung, ohne Anzug oder Skinny Jeans, teilhaben und Kultur schaffen.
Für euch ist nicht wichtig, wer dabei ist. Was hält euch zusammen?
Das, was uns zusammenhält, ist der Wunsch nach einem Freiraum. Ein Freiraum, der nicht Millionen kostet, wo man Kultur, unabhängig von einem Fachausweis und ohne grosse Verwaltung schaffen kann. Ein Raum, in dem sich die Leute ganz einfach nach den eigenen Bedürfnissen einbringen können und dort das auf die Beine stellen könne, was Luzern fehlt: Nämlich endlich wieder ein selbstverwaltetes, alternatives Kulturzentrum. Wir hatten früher die Boa, wir hatten Frigorex, das ist alles verdrängt worden. Weder von der Politik noch von einer anderen Seite gibt es irgendwelche Bestrebungen, etwas Derartiges in Luzern zu schaffen. Das hat uns zur Einsicht gebracht, dass wir hier ein praktisches Beispiel liefern müssen, damit die Luzerner Bevölkerung das will. Wir hatten am Schluss über 150 Leute im Haus, die das Ereignis gefeiert haben. Und dieses praktische Beispiel wollen wir weiterziehen. Es gibt in Luzern das Bedürfnis nach einem solchen Kulturzentrum und Gundula ist dieses Kulturzentrum.
Ihr habt Bierzapfhahnen und Soundanlagen installiert. Heisst das, dass man ab jetzt vorbeikommen und feiern kann?
Es ist kein Partyraum, das muss man ganz klar sagen. Es ist ein belebtes Haus, das dazu einlädt, dass man dort teilnimmt, dass man sich daran beteiligt. Konzerte und Partys sind ein kleiner Bestandteil davon. Wir möchten das Haus so öffnen, dass jede Person, die Interesse hat, dort ihr Programm durchziehen kann. Wir haben für diese Woche bereits ein Programm aufgeschaltet. Das findet man auf unserer Webseite «gundulablog.wordpress.com». Dort sieht man, was für die Woche geplant ist. Wir haben aber auch eine E-Mail-Adresse, bei der alle ihre Wünsche äussern können, was stattfinden soll. Das geht über Sportkurse bis Spieleabende für Erwachsene und Kinder, das zieht sich weiter über Kunst- und Tanzkurse. Es ist also wirklich ein Haus für alle, wo alle ihre Vorstellungen von Kultur ausleben können.
Das klingt, als würdet ihr schon weit in die Zukunft planen. Aber ist es nicht möglich, dass schon heute oder morgen das Ganze schon wieder vorbei ist, dass die Polizei vor der Türe steht, weil der Besitzer des Grundstücks eingeschritten ist?
Ich denke, bei einem positiven Projekt wie diesem muss man auch mit positiven Gedanken herangehen. Wir haben per Brief Kontakt aufgenommen sowohl mit den Stadtbehörden als auch mit der besitzenden Person und haben ihnen mitgeteilt, was der Zweck von Gundula ist und was Gundula sein soll. Wir haben die Person auch eingeladen, sich vor Ort ein Bild zu machen und wir gehen fest davon aus, dass es, wenn die Person das Angebot wahrnimmt und sich anschaut, wie viele Leute sich dort mit welcher Energie beteiligen, ein solches Projekt zu realisieren, schon gut kommen wird. Das belebte Haus bringt Luzern definitiv mehr als eine leerstehende Hütte.