Mit Memes wirbt die Alt-Right-Bewegung im Internet. Aber es gibt auch einige erfolgreiche Meme-GestalterInnen von links. Mit linken Memes soll Klassenbewusstsein und sozialistische Propaganda verbreitet werden.
Aufgrund ihres vielfältigen Charakters ist es schwierig, zu definieren, was Memes sind. Die bei Weitem häufigste und beliebteste Art von Meme ist diejenige mit einem lustigen Bild, oftmals zusammen mit einem Text darauf. Memes können eine grosse Reihe von Themen abdecken, sie nehmen zahlreiche kulturelle Insiderwitze auf und reichen vom wunderschön Tiefgründigen bis zum heiter Trivialen. Aber egal, welche Spielart oder Form sie haben, eines ist sicher: Memes dominieren das Internet und machen das schon seit langer Zeit. Vor etwa fünf Jahren hat sich jedoch eine übel gesinnte Gruppe Individuen herausgebildet, die die Popularität von Memes als ein Rekrutierungsmittel benutzt: die sogenannte Alt-Right (alternative Rechte), eine vage definierte Bewegung, die mit rechtem Gedankengut, mit Faschismus, mit Antifeminismus und Rassismus verbunden ist. Die Alt-Right hat sich wie ein Virus durch die sozialen Medien, von Facebook bis Twitter, verbreitet und lauert in den Internetforen wie Reddit und 4Chan. Sie organisiert die Verbreitung von Ideen, die hintergründig Völkermord befürworten und zu einem weissen Ethnostaat aufrufen.
Widerstand von links
Diese Entwicklung verläuft nicht unwidersprochen. Sie stossen auf den starken Widerstand von KommunistInnen, SozialistInnen und AnarchistInnen. Auch diese können ein Talent für Memes besitzen. Tatsächlich haben linke Memes solange existiert wie Memes im Allgemeinen. Aber in der letzten Zeit haben sie an Popularität und an der Zahl zugenommen. Sie verbreiten nun Klassenbewusstsein und bekämpfen die herannahende Welle des Faschismus online wie offline. «Ich habe mich in jungen Jahren in den Sozialismus verliebt. Er erschien mir einfach als gesunder Menschenverstand», erklärt ein Admin der Facebookseite Labourwave anonym. Labourwave – das den Namen in einer Mischung aus alternativen Zeichen schreibt und beispielsweise das L mit einem dem Pfundsymbol £ austauscht – veröffentlicht online, was manche als Kunst bezeichnen würden. Nachdem der Admin Grafikkurse absolviert hätte, habe er/sie sich für Vaporwave begeistert, eine widerständige Kunst- und Musikbewegung, die den Kapitalismus durch die ironische Idolisierung der Konsumästhetik der 90er Jahre kritisiert. «Ich liebe die beinahe dystopische, antikapitalistische Botschaft darin.»
Ein effektives Mittel
Nachdem die Alt-Right begann, Vaporwave von der ursprünglichen Community zu enteignen, entschied Labourwave, damit eine unverfroren sozialistische Bildlichkeit zu schaffen. Durch ihre Facebookseite wurden sie Teil einer Bewegung, die mit Erfolg die Leute bewusster für ihre politische Meinung macht. «Von vielen Leuten habe ich gehört, dass linke Memes sie radikalisiert hätten … Memes sind moderne Unterhaltung, das ist also durchaus einleuchtend für mich.»
Labourwave glaubt, dass – analog zu Alt-Right-Memes – Kunst von ihnen und anderen ein effektiveres Mittel ist, um Leute von einer linken Politik zu überzeugen. «Linke Memes sind völlig anders, weil sie meistens positive Botschaften tragen zur Überwindung von Ungerechtigkeit und Unterdrückung.» Leider leide die linke Szene stark unter internen Kämpfen und das sei etwas, dem man nicht entgehen kann, wenn man online Memes macht. «AnarchistInnen und KommunistInnen kommen selten miteinander aus, aber das ist der Grund, weshalb ich gerne viele Memes zur linken Einheit mache.»
Linkes Sammelbecken
Labourwave ist nicht die einzige Bewegung, die versucht, die Massen zu einen. «Wir diskutieren unsere spezifischen Ideologien nicht wirklich», erklärt ein Admin von Sassy Socialist Memes, eine der beliebtesten Meme-Seiten auf Facebook mit über 965 000 Followers. «Die Stärke der Seite ist, dass sie als ein Sammelbecken dient für Linke aller Richtungen und das ist der Grund, weshalb wir gleichzeitig Memes über TrotzkistInnen und MaoistInnen posten können.» Trotz dem grossen Erfolg und ihrer grossen Reichweite hatten die Leute hinter Sassy Socialist Memes eigentlich nie vorgehabt, etwas Grosses aus ihrer Seite zu machen: «Es hat als ein Insiderwitz unter FreundInnen gestartet und ist dann ins Rollen gekommen, als immer mehr Leute der Seite beigetreten sind.» Aber durch ihren Erfolg haben auch viele damit begonnen, linke Politik mit grösserem Interesse in Erwägung zu ziehen. «Wir hatten Fans, die uns geschrieben haben, dass unsere Seite sie für linke Ideen begeistert hätten. Es gibt auch Leute, die uns nach Leseempfehlungen fragen oder uns theoretische Fragen stellen.» Letzten Endes versucht Sassy Socialist Memes nicht, einen grösseren sozialen Wandel durch ihre Tätigkeit hervorzurufen. «Wir wollen vor allem, dass sich die Leute über unser Zeug freuen. Alles andere ist ein Bonus.» Da die Alt-Right sich Memes aneignet, um Leute für ihre Bewegung zu rekrutieren, denken auch die Admins von Sassy Socialist Memes, dass die Linke das tun sollte. «Die Alt-Right benutzt Memes als ideologischen Einstieg, wir Linken machen das aber auch.»
Kunst als Hammer
Das «Politbüro für Agitation und Propaganda» von Labourwave geht mit dieser Idee aber einen Schritt weiter. Der Urheber der Seite begrüsst die propagandistische, rekrutierende Seite der sozialistischen Memes: «Ich hoffe, dass meine Arbeit direkt die Wiederbelebung der Ideale der UdSSR bewirken. Die ursprünglichen sowjetischen Propagandaplakate sind künstlerisch wie visuell grossartig, um sozialistische Prinzipien zu vermitteln.» Das «Politbüro» betrachtet Memes als ein sehr einfach geniessbares und zugängliches Medium und glaubt, dass sie dadurch perfekt dazu geeignet seien, eine sozialistische Einstellung zu verbreiten. «Memes können die Essenz der schweren marxistischen Literatur in ein leichtverdauliches Format umwandeln. Auch wenn das Lesen von Theorie wichtig ist, haben nicht alle dazu Zeit. Ich habe so viele Leute sagen hören, dass sie zu Beginn nur wegen den Memes eingestiegen sind, aber mit der Zeit hätten sie realisiert, dass viel mehr dahinter steckt.» Das «Politbüro», das in den USA ansässig ist, hat gute Gründe für seine Leidenschaft und seine Überzeugungen. «Ich habe mich mit linker Politik beschäftigt, nachdem ich dem Blutbad zugesehen habe, dass die grosse Rezession mit den arbeitenden Leuten dieses Landes angerichtet hatte … Ich habe das Massaker im Pulse-Club in meiner Heimatstadt mitangesehen. Ich habe eine Kundgebung, die von Donald Trump geführt wurde, an meiner Universität mitangesehen, wo er seine AnhängerInnen aufgefordert hat, ihm Gehorsam zu schwören. Die einzige Chance, die meine Generation hat, ist, wenn die Arbeitenden der USA wie die Arbeitenden der ganzen Welt wirklich gerechte Systeme schaffen, die nicht auf Gier und Tod basieren, sondern auf Gleichheit und Hoffnung.» Und aus diesem Grund macht das «Politbüro» seine Arbeit. «Der Marxismus ist die Ideologie, die diese Weltanschauung unterstützt. Er war in der Vergangenheit verantwortlich, für beinahe wundersame Sprünge in der Demokratie und im gesellschaftlichen Fortschritt.» Auf die Frage, was das «Politbüro» spezifisch inspiriert hat, diese Art von Kunst zu machen, sharte es ein Zitat von Bertolt Brecht, das ziemlich gut die Intentionen der sozialistischen Memes-GestalterInnen offenbart: «Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.»