National- und Ständerat ergänzten die bestehende Rassismus-Strafnorm
in Strafgesetzbuch und Militärstrafrecht mit «Diskriminierung und Aufruf zu Hass wegen sexueller Orientierung». Die Junge SVP und Eidgenössisch Demokratische Union EDU sehen die Meinungsfreiheit eingeschränkt und ergriffen erfolgreich das Referendum.
Mit dem geltenden Gesetz darf Vitus Huonder, Bischof des Bistums Chur, weil er keine Homosexuellen namentlich diffamiert, weiter respektlos und diskriminierend gegen Homosexualität vom Leder ziehen, unter anderem mit der Aussage, die Bibel verlange die Todesstrafe für Homosexuelle. Die Klage von Pink Cross, Dachverband und politische Interessenvertretung der LGBTI-Community, und seine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung wurden vom Kantonsgericht Graubünden abgewiesen. Darüber hinaus wurden die Organisation und die weiteren Privatkläger verurteilt, eine Entschädigung von 1200 Franken an Vitus Huonder zu bezahlen und die Verfahrenskosten von 1500 Franken zu übernehmen.
Homophobie vom Gröbsten
Auch die Klage von Pink-Cross gegen Florian Signer von der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) wurde abgelehnt. Der Vorsitzende der Sektion Appenzell und selbst ernannter «Geostratege» schlägt auf der Webseite seiner rechtsextremen Organisation vor, «Homosexualität in der Öffentlichkeit» und «homosexuelle Propaganda» unter Strafe zu stellen und das traditionelle Familienbild zu fördern. Öffentlich geoutete und für Rechte kämpfende Lesben, Schwule und Bisexuelle tragen seiner Meinung nach ein grosse Schuld und sollen Verantwortung für den angeblich in der Gesellschaft angerichteten Schaden übernehmen. Mit seiner «medizinischen Lösung» will er, dass sich Homosexuelle der Forschung zur Verfügung stellen, um mitzuhelfen, Methoden zu ihrer Heilung zu entwickeln. Er sähe es auch gerne, wenn Homosexuelle zur Bezahlung einer «Homo-Steuer» verpflichtet würden, welche der Förderung der traditionellen Familie zugut kommen solle.
Bezug auf Personengruppen
Pink Cross begrüsst den im Parlament beschlossenen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung wegen sexueller Orientierung (Homo- und Bisexualität), während ein Teil der LGBTI-Community kritisiert, dass Trans- und Inter-Menschen mit der Formulierung «sexuelle Orientierung» nicht vor Diskriminierung geschützt sind. Und das sagen die entsprechenden von den eidgenössischen Räten ergänzten Artikel in Strafgesetzbuch und Militärstrafrecht: «Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» Über die neu hinzugefügte Ergänzung «oder sexuellen Orientierung» an zwei Stellen in beiden Gesetzestexten muss nun abgestimmt werden.
Lügenpropaganda
Wegen der längst überfälligen gesetzlichen Festschreibung des Diskriminierungsschutzes für Homosexuelle überdrehen die homophoben Ultrarechten. Pink Cross bereitet sich auf auf einen harten Abstimmungskampf vor: «Bereits jetzt zeigt sich, dass das Referendumskomitee nicht davor zurückschreckt, mit Lügen Stimmung zu machen: So wurde offenbar an mehreren Orten mit der Argumentation Unterschriften gesammelt, es handle sich um ein Referendum gegen Homophobie– anstatt um ein Referendum gegen ein Gesetz, das Homophobie bekämpfen will.»
Im Abstimmungskampf wird auch moniert, der Begriff «sexuelle Orientierung» sei zu unbestimmt und zu schwammig. Stimmt überhaupt nicht: Der Begriff ist durch die Yogyakarta-Prinzipien international anerkannt definiert und allgemein gebräuchlich. In diversen kantonalen und kommunalen Gesetzen und in anderen Ländern hat der Begriff ebenfalls Eingang gefunden. Die Begriffsdefinition nach Yogyakarta-Prinzipien lautet: «Unter sexueller Orientierung versteht man die Fähigkeit eines Menschen, sich emotional und sexuell intensiv zu Personen desselben (homosexuell) oder eines anderen Geschlechts (heterosexuell) oder mehr als eines Geschlechts (bisexuell) hingezogen zu fühlen und vertraute und sexuelle Beziehungen mit ihnen zu führen.»
Menschenwürde statt Diskriminierung
Weiter befürchten die Rechtsextremen und Religiösen, der Katalog der «geschützten Personengruppen» werde nun laufend erweitert. Überschäumend warnen sie vor der Entkriminalisierung von Pädophilie und Sex mit Tieren. Pink Cross hält hingegen sachlich fest: «Der Rassendiskriminierungsartikel dient der Generalprävention gegen bestimmte Verhaltensweisen, mit denen die Menschenwürde von Angehörigen bestimmter Gruppen angegriffen wird, und damit dem öffentlichen Frieden. Die Ergänzung um das Merkmal ‹sexuelle Orientierung›, an das bekanntermassen auch zu Hasspropaganda und Diskriminierung angeknüpft wird, verfolgt denselben Zweck.»