Am 6. November haben die Protesttage vom Bauhauptgewerbe gegen den Frontalangriff des Baumeisterverbands ihren Höhepunkt gefunden. Nach Streiks in der ganzen Schweiz war nun auch der Kanton Zürich an der Reihe: 4000 BauarbeiterInnen streikten. Eine Reportage.
«Buongiorno! Bom dia! Guete Morge!» Fast die komplette Mannschaft hat sich morgens um sieben Uhr auf der Baustelle versammelt. Doch anstelle des Poliers sind VertreterInnen der Gewerkschaft Unia da. Bei uns hört man keine Hammerschläge und auch kein Kran dreht sich. Nur von der anderen Strassenseite ist ein Spitzhammer zu hören. Allen ist klar: Da wir gearbeitet! Während der Bus der Gewerkschaft bei uns einfährt, stehen wir bereits bei der Nachbarsbaustelle und rufen: «Hey, es ist Streik! Hört auf zu arbeiten!». Die GewerkschafterInnen verhandeln mit deren Polier und wir versuchen, die Kumpels zu überzeugen: «Es geht um eure Rechte, es geht um unsere Rente mit sechzig. Uns drohen bis zu Zwölf-Stunden-Arbeitstage.» Mitkommen wollen sie, das sieht man ihnen in ihren Augen. Gleichzeitig sieht man ihnen aber auch die Angst an; die Angst vor Entlassung, die Angst vor Repression. Diese Baustelle können wir leider nicht knacken. «Mit sechzig sind das alles Krüppel», so ein anderer, älterer Maurer zu mir. «Wir Schweizer haben eine Chance auf einen anderen Beruf, wir können ins Büro. Die Handlanger sind schon Jahre vor der Rente hinüber.» Handlanger sind BauarbeiterInnen ohne Fachausbildung, oft Personen mit Migrationshintergrund.
Die Situation droht zu eskalieren
Mit dem Bus der Gewerkschaft fahren wir zur Kanzlei beim Volkshaus in Zürich, wo wir uns von der Gewerkschaft eintragen lassen, damit am Abend unser Streikgeld ausbezahlt werden kann. Wer will, kann sich jetzt einer Aktionsgruppe anschliessen, um weitere Baustellen stillzulegen.
Meine Aktionsgruppe hat zum Ziel, zwei Baustellen an der Autobahn endgültig lahmzulegen. Unsere Gruppe besteht aus BauarbeiterInnen und Personen aus der linken Szene. Es herrscht eine kameradschaftliche Aufbruchstimmung im Bus. Am Ziel angekommen, wehen unsere Fahnen und mit Gejohle, Pfeifen und Trommeln marschieren wir zur ersten Baustelle. Die noch arbeitenden Kumpels freuen sich, dass wir sie holen. Mit Jubelrufen legen sie ihr Werkzeug nieder und eilen zu ihren Baracken. Der Polier will die ArbeiterInnen zurück zur Arbeit zwingen, doch die GewerkschafterInnen machen Druck: «Wir ziehen nicht ab, ehe sich die BauarbeiterInnen am Streik beteiligen!» Nach einigen Wortgefechten ist der Widerstand des Poliers gebrochen und wir ziehen siegreich mit diesen Kumpels zur zweiten Baustelle.
Auch hier werden wir von den BauarbeiterInnen freudig empfangen. Doch nicht alle sind uns gutgesinnt. Unsere Gruppe macht sich auf dem Weg zu einem Bagger, der in Betrieb ist. Plötzlich fährt ein Lastwagen mit Vollgas in die Menge. Das sind nicht nur Streikbrecher, die wollen uns auch noch an den Kragen! Jetzt geht’s richtig los. Nicht wenige stürmen den Bagger und Laster. Sie springen auf die Maschinen auf, obwohl beide immer noch in Betrieb sind. Der Baggerfahrer versucht, die Streikenden abzuwerfen, indem er den Bagger im Kreis dreht. Die Situation droht ganz zu eskalieren, doch unsere Entschlossenheit ist beeindruckend. Und so gibt der Baggerfahrer auf und der Lastwagenfahrer wird gezwungen, anzuhalten. Jetzt steht auch auf dieser Baustelle alles still. Einige Kumpels schliessen sich dem Streik an und gemeinsam fahren wir zurück in die Stadt. Zum Glück wurde niemand verletzt.
Wenn unser starker Arm es will …
Die grosse Baudemonstration in der Stadt Zürich hat bereits begonnen. Am Central schliessen wir uns den Demonstrierenden an. Die Bahnhofsbrücke wird blockiert und wir können alle zusammen ein leckeres Mittagessen geniessen. Die Stimmung ist überwältigend: Tausend BauarbeiterInnen aus der Westschweiz und etliche aus anderen Kantonen wie Graubünden, St. Gallen und Tessin sind uns zur Unterstützung angereist.
Nun kommt der Höhepunkt vom heutigen Tag: Mit ohrenbetäubendem Lärm ziehen wir zum Hauptsitz der Baumeister-Innen. Es sind Reden in allen Sprachen zu hören, welche auf der Baustelle gesprochen werden. Unterwegs werden zahlreiche Transparente an Baustellen aufgehängt wie «Diese Baustelle steht still!» oder «Wir wehren uns für unsere Gesundheit!».
Jetzt beziehen wir Stellung! Wir haben genug! Jetzt wird gestreikt! In den letzten fünf Jahren haben hundert BauarbeiterInnen während der Arbeit ihr Leben verloren. Es geht um unsere Gesundheit, es geht um unsere Zukunft. Es geht um unsere Würde. Mit Gesang, Rauchpetarden, Pfeifen und Trommeln geben wir dem Baumeisterverband ein klares Zeichen: Wir sind bereit, zu kämpfen! Wir leisten Widerstand! Werden keine Lösungen geboten, werden wir tagelang streiken. Wir werden wochenlang streiken, wir werden monatelang streiken. Wenn unser starker Arm es will, steht jeder Bagger still.