Der Ständerat und der Nationalrat haben am 19.03.2010 die Revision der Arbeitslosenversicherung beschlossen – ein weiterer Akt des Sozialabbaus, der vor allem die Jugend in eine schwierigere Situation bringen wird. Die Kommunistische Jugend Bern ist schon seit Monaten im Referendumskomitee aktiv tätig. Dieses Thema wurde auch im letzten Bildungswochenende “Roter Oktober” im November 2009 behandelt.
Im September 2010 wird die Abstimmung sein. Hier ein Argumentarium:
Nein zur Revision der Arbeitslosenversicherung!
7 Fragen und Antworten
Was heisst es, bei der Arbeitslosenversicherung zu sein?
Die ALV ist eine Versicherung zum Schutz der Menschen, die ihre Arbeit verloren haben und – im Falle vieler Jugendlicher – für die, die nach einer Ausbildung oder Schule keine Arbeit finden weil es vielerorts keine hat. Die Arbeitslosen melden sich bei der jeweiligen Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) und besuchen dann einen obligatorischen Infotag. Ihnen wird dann einE SozialarbeiterIn zugeteilt, die/der mit dem/der Betroffenen eine bestimmte Anzahl Bewerbungen pro Monat vereinbart und ihm/ihr während seiner/ihrer Stellensuche Infos und nützliche Tipps angibt. Der/die Arbeitslose hat Anrecht auf eine Entschädigung in Form von Taggeldern, die je nach Beitragsdauer und Verdienst unterschiedlich ausfallen werden. Der/die Arbeitslose darf insgesamt zwei Jahre bei der ALV angemeldet sein, bevor sie/er dann in die Sozialhilfe landet oder einen erneute Anmeldung bei der ALV beantragt.
Warum kommt es zu einer vierten Revision?
Die letzte Revision fand im Jahre 2003 statt. Diese Revision ging im Durchschnitt von einer zukünftigen Arbeitslosenzahl von 100‘000 aus. Wie wir nun heute sehen, wurde diese Zahl unterschätzt (durch Krise im Durchschnitt 125‘000 arbeitslos), was zusätzliche Kosten für die ALV bringt (920 Millionen Franken). Diese Kosten sollen nun durch die vierte Revision gedeckt werden und es soll zudem noch mehr eingespart werden, und zwar folgendermassen:
Mehreinnahmen von 646 Millionen Franken durch Erhöhung des Lohnbeitrages um 0,2 Prozent und eines Solidaritätsprozentes für Einkommen zwischen 126‘000 (10‘500 pro Monat) und 315‘000 Franken (26‘250 pro Monat).
Einsparungen von 622 Millionen Franken durch massive Kürzungen der Leistungen auf allen Stufen.
Was sind die Kürzungen?
– Kürzungen der Bezugsdauer:
Bis zum Alter von 25 Jahren (ohne Kinder) von 200 auf 100 Tage
SchülerInnen und StudentInnen von 200 auf 90 Tage
Von 12 bis 18 Monaten Beitragszeit neu 260 statt 400 Tage
Über 55-jährige und IV-BezügerInnen müssen 30 Monate statt wie bisher 24 Monate einzahlen, damit sie Anspruch auf 520 Tage haben.
– Aberkennung der Beitragszeit während Beschäftigungsprogrammen
– Erhöhung der Wartezeit von 5 auf 10 bis 20 Tage, je nach Alter und Unterhaltspflicht
– Kompensationszahlungen bei Zwischenverdiensten werden nicht mehr angerechnet
– Reduktion des Plafonds AMM (arbeitsmarktliche Massnahmen) (rund 80 Millionen!)
– Verzicht auf regionale Sondermassnahmen
Warum ist die Revision jugendfeindlich?
Sie fördert die Konkurrenz: Durch das, dass die Unter-30jährigen zukünftig jeden Job annehmen werden müssen (Zumutbarkeitsschutz entfällt), werden viele Arbeitslose direkte KonkurrentInnen zu den niedrig ausgebildeten Arbeitskräften, was sich auch bei deren Löhnen auswirken wird.
Viele Jugendliche werden in die Sozialhilfe gehen müssen: Sie werden weniger Geld in einer kürzeren Zeit bekommen werden. Dies wird dazu führen, dass sie längere Zeit bei den Eltern bleiben müssen und die Familien somit in finanzielle Schwierigkeiten kommen werden.
Sie bekämpft die Arbeitslosen und nicht die Arbeitslosigkeit: Die Revision sieht weder die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen oder Lehrstellen noch irgendwelche Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor. Für die Jugendlichen wird keine Perspektive geschaffen, sondern sie müssen die Krise auslöffeln, die sie nicht ausgelöst haben.
In was für eine Versicherung entwickelt sich die ALV? Warum wollen wir die ALV trotzdem vor Abbaumassnahmen schützen?
Die Arbeitslosenversicherung ist eine wichtige Versicherung des Sozialstaates. Die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe werden aber zunehmend als Überwachungsinstrument des bürgerlichen Staates benutzt:
Vermehrte Überwachung statt Hilfe: Die Arbeitslosen werden immer mehr unter Kontrollzwang gestellt. Es ist nicht mehr wichtig, eine gute Arbeit (in jedem Sinne: guter Lohn, Zumutbarkeit…) zu finden, sondern es ist wichtig, dass die Arbeitslosen die vereinbarte Anzahl Bewerbungen pünktlich bringen, es ist äusserst wichtig, allen Regelungen zu befolgen die die Arbeitslosenversicherung vorsieht. Es besteht ein Trend zur Bevormundung der Arbeitslosen durch den Staat, die als unmündige Menschen angesehen werden, weil sie keine Arbeit finden.
Arbeitswille und Arbeitstauglichkeit bzw. -fähigkeit: Den Arbeitslosen wird generell mangelnder Arbeitswille in die Schuhe geschoben. Nun hat die Stadt Bern z.B. vor, durch „Testarbeitsplätze“ (siehe Interpellation Stadtrat, weiter unten) den Arbeitswillen bzw. die -fähigkeit oder -tauglichkeit zu „testen“. Es ist nun laut den DrahtzieherInnen dieser Massnahmen keineswegs die Schuld der Wirtschaft und des Staates, die nicht genügend Stellen bereitstellen. Nein, denn wir leben ja in einer „sozialen Marktwirtschaft“, der „bestmöglichen“ Wirtschaftsform überhaupt. http://pdabern.ch/stadtrat/stadtrat.html
Staat im Dienste des Kapitalismus: In den USA arbeiten nun schon seit vielen Jahren für einen Hohn von Lohn die GefängnisinsassInnen für die transnationalen Konzerne, die somit niemanden mehr anstellen müssen. In diesem Sinne entwickelt sich hier auch in der Schweiz diese Tendenz, indem Arbeitslose für niedrige Löhne in Grosskonzernen Arbeiten erledigen sollen. In Deutschland geht es schon so weit, dass dort von 1-Euro-Jobs die Rede ist. Diese fördern die Konkurrenz unter den ArbeiterInnen und entlässt die Arbeit„geber“ selbst aus der minimalen Verantwortung, einen Lohn zu bezahlen, der zum (über)leben reicht. http://www.edition8.ch/autoren/workfare.html
Wir wollen die ALV schützen, die, trotz dem Trend zur Überwachung, die Arbeitslosen vor einer zu schwierigen Lebenssituation bewahrt. Wir wollen sie auch schützen, weil die aktuelle Revision ein Teil eines Abbaufeldzuges des bürgerlichen Lagers ist. Dieser Feldzug zielt darauf, das schweizerische Sozialsystem zu zerstören. Die dafür verwendete Demagogie des „Schutzes“, der „Rettung“, der „Sanierung“, der „Ausgeglichenheit“ und das „Abschaffen von Fehlanreizen“ hat einen bittereren Nachgeschmack, wenn man sich die Rettung der Banken in Milliardenhöhe ansieht.
Was sind die Alternativen zur Revision und zur Arbeitslosenversicherung selbst?
Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) sieht ein zusätzliches Mittel der Finanzierung im „Promille auf das Eigenkapital der Grosskonzerne“, das dann in einen allgemeinen Finanzierungsfonds für den Sozialstaat und seine Versicherungen kommen würde.
Eine andere wichtige Forderung ist die Betonung und konsequente Umsetzung des Rechts auf eine menschenwürdige Arbeit.
Eine weitere Forderung ist das bedingungslose Grundeinkommen, das für viel Diskussionsstoff in linken Organisationen sorgt. http://grundeinkommen.ch/
Des Weiteren kämpfen die Gewerkschaften schon lange für einen gesetzlichen Mindestlohn.
Nützliche Links:
Referendumskomitee gegen den Abbau der ALV: http://nein-aavig.ch/
Komitee gegen die Jugendarbeitslosigkeit: http://www.jugendarbeitslosigkeit.ch/
Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen bzw. -bedrohten: http://www.kabba.ch/