Johannes Supe. Ein Wochenende saufen und Sozialismus, das verspricht das UZ-Pressefest. Die grösste Fete der BRD-Linken wird von der Deutschen Kommunistischen Partei ausgerichtet. Aber für einen Wochenendtrip nach Dortmund ist es schon zu spät: Die Party stieg vom 1. bis zum 3. Juli.
Am Anfang steht der Austausch. Auf der improvisierten Bühne im Zelt, das die deutsche Partei Die Linke aufgestellt hat, hat auch der führende Kommunist der Bundesrepublik seinen Platz eingenommen. Immer wieder mahnt Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Man solle sich nicht nur auf die Parlamente verlassen – und schaut dabei zu den Linke-PolitikerInnen links und rechts von ihm. Die Vertretungsorgane würden dem Interessenausgleich zwischen Fraktionen der herrschenden Klassen dienen. Und sie hätten die Funktion, Proteste zu integrieren – und damit einzudämmen. Ist man einmal von der Parlamentsarbeit eingenommen, verkehre man nur noch unter Abgeordneten, dann verfalle man rasch in die Logik des kleineren Übels. Mit einer Politik für ArbeiterInnen und Angestellte sei es dann meist vorbei. «Hat man dann kein starkes Kollektiv hinter sich, droht man abzuheben», so Köbele. Nach dem Satz brandet Applaus auf. Auch die PolitikerInnen der Linkspartei stimmen bei, darunter Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. Die doppelt gleich nach: «Als Linke haben wir in der Opposition nichts bewegt, wenn es zum Thema keine Bewegung ausserhalb des Parlaments gegeben hat.»
Theorie zieht an
Vom 1. bis zum 3. Juli fand im Dortmunder Revierpark Wischlingen das traditionelle Pressefest der Wochenzeitung «Unsere Zeit» (UZ), das Organ der DKP, statt. Neben etlichen Diskussionsrunden prägten kulturelle Beiträge das Wochenende, Musik wurde gleich von mehreren Bühnen gespielt, Highlight des Wochenendes war der Auftritt der türkischen Band Grup Yorum. Laut Angaben der VeranstalterInnen haben Zehntausende das Pressefest besucht. Tatsächlich dürfte es sich auch in diesem Jahr um die grösste Feier der bundesdeutschen Linken gehandelt haben.
Lenin hätte Zeitungsverkäufer werden können. Das zumindest legen die riesigen Plakate nahe, die auf den «Leninplatz» verweisen. Da steht der russische Revolutionär, in einen schwarzen Mantel gehüllt, und streckt die Faust nach von vorn. Darin: eine zusammengerollte UZ. Einen Blick hat der Mann, als wolle er sagen: «Kauf sie. Kostet nicht viel.» Leider lassen sich von Lenin auf dem nach ihm benannten Platz keine Zeitungen erwerben, auch an Lenin-ImitatorInnen mangelt es.
Aber nicht an Gedränge. Hier, an einem kleinen See, haben etliche Organisationen ihr Zelt aufgeschlagen. Bücher werden gehandelt. Bei der ersten Bude mag man die 42 Lenin-Werke en bloc erstehen. Wenige Meter weiter hat die marxistische Tageszeitung «junge Welt» ihren Stand. Auch dort lässt sich der Klassiker mitnehmen und in die Tasche stecken – eine Neuausgabe von «Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus» wird verkauft. So viel Theorie zieht die Menschen in Scharen an. Immer wieder regnet es an diesem Wochenende, kurz aber heftig. Doch der Lenin-Platz bleibt voll. Wer nicht lesen oder feilschen mag, der sitzt vielleicht vor der aufgestellten Bühne, hört ArbeiterInnenlieder. Oder man begibt sich in eine der kulturellen Runden – etwa über die Tradition des Gesangs von nebenan.
Zusammenarbeiten, aber wie?
«In 100 Diskussionsrunden tauschten sich GewerkschafterInnen über den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen aus, WissenschaftlerInnen und JournalistInnen stellten aktuelle marxistische Analysen vor, AktivistInnen diskutierten, wie die Bewegung für eine neue Gesellschaft gestärkt werden können», fasst die aktuelle UZ das Pressefest zusammen. Angesichts der Fülle der Veranstaltungen, ist es nicht leicht, einen Schwerpunkt des Fests auszumachen. Besonders rege wurde allerdings über die Notwendigkeit der Friedensbewegung, den Umgang mit Geflüchteten in der Bundesrepublik und das Aufkommen rechter Kräfte und Parteien diskutiert.
Tatsächlich hatte die DKP wenige Wochen vor dem Fest ein «Sofortprogramm» verabschiedet. In ihm wird die Errichtung Hunderttausender neuer Wohnungen verlangt. Im Kampf um die Durchsetzung der Forderungen wolle man sowohl auf Geflüchtete und MigrantInnen wie auch auf deutsche ArbeiterInnen und Angestellte zugehen, hatte die Partei verlauten lassen. Damit solle eine Spaltung der ArbeiterInnenklasse verhindert werden. Vielmehr müssten die UnternehmerInnen ins Visier genommen werden: Von der Einführung von Vermögenssteuern bis hin zu höheren Abgaben für Unternehmen und Banken schlägt die Partei etliche Massnahmen vor, die die Bourgeoisie treffen sollen
Noch einmal zum Anfang – des Textes wie auch des Pressefests. Linke-PolitikerInnen diskutieren mit DKP-Chef Patrik Köbele. Der hat nicht das letzte Wort, aber dafür ein vernünftiges. Man müsse künftig mehr zusammenarbeiten, darin seien sich alle einige, so Köbele. Aber wie? Mit den Menschen sofort über Antikapitalismus sprechen, über Ausbeutungsverhältnisse – das werde keinen Erfolg haben. Möglich sei hingegen, an ihrer Seite zu stehen, etwa im Ringen um den Frieden. «Und dann muss man die Frage stellen: Wer verdient denn am Krieg?»