Vor 20 Jahren begann der völkerrechtswidrige Bombenkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Am 24. März 1999 gegen 20 Uhr begann die Nato mit der Bombardierung serbischer Städte aus der Luft und mit Marschflugkörpern, die von U-Booten aus abgefeuert wurden. Ein Mandat des UN-Sicherheitsrats gab es nicht.
Angegriffen wurden vor allem zivile Ziele wie die Sendezentrale des serbischen Rundfunks RTS, die «Zastava»-Autofabrik in Kragujevac, Brücken und die chinesische Botschaft. Die Nato sprach zynisch von Kollateralschäden. Der Krieg dauerte insgesamt von 1991 bis 2001. Im Einzelnen handelte es sich um den Zehn-Tage-Krieg in Slowenien von 1991, den Kroatienkrieg von 1991 bis 1995, den Bosnienkrieg und den kroatisch-bosniakischen Krieg von 1992 bis 1995, den Kosovokrieg von 1999 und die Konfrontationen der mazedonischen Armee mit den aufständischen albanischen Separatist*innen in Mazedonien 2001. Die Nato bekämpfte die behauptete «humanitäre Katastrophe» mit Hinrichtungen von Zivilisten, der Bombardierung von Krankenhäusern, Schulen, Medien und Friedhöfen. Das Kriegsbündnis hinterliess hunderttausende Tote und eine Million Vertriebene. 84 der 161 Angeklagten wurden von 1993 bis 2017 verurteilt. Muslimische und kroatische Angeklagte kamen in der Regel mit geringen Haftstrafen davon, serbische wurden meist zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Nato-Kriegsverbrecher wurden bis heute nicht belangt.
«Grossartiges Militär»
Gerhard Schröder, von 1998 bis 2005 deutscher Bundeskanzler, kam glimpflich davon. Der Sozialdemokrat befahl den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zur «Verteidigung» von «Freiheit, Demokratie und Menschenrechten». Jahre später räumte er ein, der Krieg sei völkerrechtswidrig gewesen. Es war der erste deutsche Angriffskrieg seit 1945. Auch Joseph «Joschka» Fischer, von 1998 bis 2005 Aussenminister der Bundesrepublik Deutschland, wurde ebenfalls nicht vor den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gestellt. Der Grüne rechtfertigte den Nato-Bombenkrieg mit den Sätzen: «Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.» Mit dabei war auch Rudolf Scharping, von 1998 bis 2002 deutscher Verteidigungsminister. Der Sozialdemokrat legitimierte den Krieg mit der angeblichen Existenz eines serbischen Plans zur Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo, dem sogenannten Hufeisenplan, einer Propagandalüge. William «Bill» Clinton, 1993 bis 2001 demokratischer US-Präsident, trug massgebliche Verantwortung für den «Operation Allied Force» genannten Einsatz von US-Streitkräften gegen Jugoslawien – ohne jegliche Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat. Madeleine Albright, von 1997 bis 2001 demokratische US-Aussenministerin, äusserte 1993: «Wozu haben wir eigentlich dieses grossartige Militär, (…) wenn wir es nicht einsetzen können?» Sie gab 2013 zu: «Was wir dort taten, war nicht legal, aber richtig.»
Zivile «Kollateralschäden»
Anthony «Tony» Blair, britischer Labour-Premierminister von 1997 bis 2007, spielte als Scharfmacher eine besondere Rolle und forderte wiederholt und nachdrücklich den Einsatz von Bodentruppen in Jugoslawien – was Clinton für den «Notfall» akzeptierte. Der rechtsliberale Jacques Chirac, von 1995 bis 2007 Staatspräsident, führte Frankreich in den Krieg gegen Jugoslawien und drohte «Terrorstaaten» mit französischen Atomwaffen. Die Strategie der NATO im Kosovo-Konflikt sah er als gerechtfertigt an. José Maria Aznar von der Volkspartei PP, von 1996 bis 2004 Ministerpräsident Spaniens, soll die Anregung zur Bombardierung des staatlichen Rundfunks RTS gegeben haben. Er gehörte zusammen mit George W. Bush und Anthony Blair vier Jahre später zu den treibenden Kräften des Angriffskrieges gegen den Irak. Der Spanier Javier Solana war von 1995 bis 1999 Generalsekretär der Nato. Er gab den Befehl zur Bombardierung Jugoslawiens, angeblich «um die sich im Kosovo entwickelnde humanitäre Katastrophe zu stoppen». Er erklärte, es gebe keine Alternative zum «militärischen Eingreifen». Und last but not least Jamie Shea. Der Brite war seit 1980 für die Nato tätig, 1999 als ihr Sprecher in Brüssel. Er legitimierte den Angriff und prägte als stets lächelndes TV-Gesicht des Krieges die Berichterstattung und das Wort «Kollateralschäden» für zivile Opfer.
Totaler Medienkrieg
Am 25. März 1999 erschien auf der Titelseite der «jungen Welt» ein Gedicht des Liedermachers und Schriftstellers Franz Josef Degenhardt (1931–2011). Es begann mit den Worten: «Deinem Urgrossvater haben sie erzählt: Gegen den Erbfeind. Für das Vaterland. Und er hat das tatsächlich geglaubt. (…) Deinem Grossvater sagten sie: Gegen die slawischen Horden. Für die abendländische Kultur. Er hat das wirklich geglaubt. (…) Deinem Vater erzählen sie jetzt: Gegen die Völkermörder. Für die Menschenrechte. Für den Frieden. Unglaublich – er glaubt’s.»
Der NATO-Luftkrieg gegen Serbien und Montenegro bedeutete eine Zäsur – die «westliche Wertegemeinschaft» verübte erstmals seit dem Ende der Sowjetunion Staatsterror und legte nicht nur Städte und Dörfer in Trümmer, sondern auch das Völkerrecht. Werner Pirker (1947–2014) schrieb am Tag vor dem Beginn der Bombardierungen: «Die ‹Serbien muss sterbien›-Propaganda von 1914 war gegenüber dem totalen Medienkrieg 1999 von geradezu Wienerischer Gelassenheit. (…) Der globale Machtanspruch des Westens bedarf der behaupteten Existenz von Schurkenstaaten. An der Spitze dieser Länder haben diktatorische Schurken zu stehen.» Mit jedem Krieg des Westens seit 1999 stellten sich diese Sätze als wahr heraus: Der Krieg begann lange vor dem ersten Schuss in den Staats- und Konzernmedien. Wir befinden uns immer noch und wieder in Kriegszeiten, in denen sich in Venezuela das Szenario von 1998 und 1999 wiederholt.