Patricia D’Incau. Der Kampf um Lohndumping geht in die nächste Runde: Am 28. Februar ist die Zürcher Stimmbevölkerung dazu aufgerufen, über verschärfte Massnahmen gegen Lohnunterbietungen abzustimmen. Grosskonzerne und Politik sind nicht erfreut.
Ende Februar steht im Kanton Zürich ein gewichtiges Thema auf dem Stimmzettel: die Lohndumping-Initiative der Gewerkschaften. Um das florierende Geschäft mit der Billigarbeit einzudämmen, sollen die Behörden künftig Arbeitsstopps verfügen können, sofern ein Verdacht auf Lohndumping besteht und sich die verantwortlichen Unternehmen nicht kooperativ zeigen. Der Betrieb müsste dabei solange ruhen, bis der Fall geklärt ist.
Zwar hat das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) bereits heute, im Rahmen der flankierenden Massnahmen, die Möglichkeit, einem fehlbaren Unternehmen nicht nur Lohnnachzahlungen sondern auch Konventionalstrafe und Sanktionen aufzuerlegen – doch wiegen diese Strafen für Grosskonzerne nicht schwer. Eine Busse von bis zu 5 000 Franken zahlen sie aus der Portokasse; eine Arbeitssperre bis zu fünf Jahren kann durch die Gründung eines neuen Unternehmens umgangen werden. Und: Bis ein Fall von Lohndumping definitiv geklärt ist, können bis zu fünf Jahren ins Land gehen, wie die NZZ jüngst vorrechnete. Bis dahin «sind die jeweiligen Arbeiten abgeschlossen und die Firma möglicherweise über alle Berge», so die Unia. Um dies zu verhindern, müsse frühzeitig gehandelt werden können.
Das «Lohndumping-Konstrukt»
Darüber, mit welchen perfiden Methoden Lohndumping betrieben wird, ist mittlerweile – insbesondere aus der Baubranche – einiges bekannt. Zu einem beliebten Mittel gehört etwa die sogenannte «Scheinselbständigkeit». Dabei werden ArbeiterInnen, zumeist aus dem Ausland, von Firmen dazu angeregt, eine «Ich-AG» zu gründen und als solche Aufträge auszuführen. Mit diesem Trick können die Unternehmen Gesamtarbeitsverträge (GAV) und somit geltende Mindestlöhne umgehen.
Hilfreich, um die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse und Geldflüsse zwischen Konzernen und ArbeiterInnen zu verschleiern, ist zudem die Weitergabe von Teilaufträgen an Sub- und Subsubunternehmen. Während das Unternehmen, das sich den Auftrag gesichert hat, seine Stammbelegschaft korrekt bezahlt, holen sich die Sub- und Subsubunternehmen, an die Teile des Auftrags ausgelagert werden, BilligarbeiterInnen aus Süd- und Osteuropa. Die ArbeiterInnen schlafen in Containern, manchmal direkt an der Baustelle, arbeiten statt 42 bis zu 60 Stunden die Woche und erhalten einen Lohn, der weit unter dem geltenden Mindestlohn liegt. Um dies zu vertuschen, werden sie dazu angehalten, Kontrolleure anzulügen und gefälschte Arbeitszeitrapporte sowie Lohnabrechnungen vorzuweisen. Die Konzerne prellen ArbeiterInnen auf diese Weise insgesamt um Millionen.
«Alltag auf Zürcher Baustellen»
Aus Sicht der Unia ist dieses «Lohndumping-Konstrukt» zum «Alltag auf Zürcher Baustellen geworden». So wurden im vergangenen Jahr etwa auf der Baustelle Hardturmpark über mehrere Monate Dunpinglöhne von 10 Franken die Stunden bezahlt und beim Grossprojekt Mattenhof in Schwammendingen systematische Verletzungen durch mehrere Subunternehmen festgestellt. In beiden Fällen sahen sich die BauherrInnen nach gewerkschaftlicher Beweisführung und Streiks dazu gezwungen, hohe Lohnnachzahlungen zu leisten.
Weitere gravierende Fälle sollen sich auf den Baustellen des Hotel Atlantis, des Limmat-Towers, der Sihlpost sowie beim Bau des FIFA-Museums zugetragen haben, wo die Gipserfirma Goger Swiss AG allgegenwärtig ist. Das Unternehmen soll sich von den ArbeiterInnen von dem tiefstmöglichen Mindestlohn, den sie erhalten, bis zu 1 000 Franken in bar zurückbezahlen lassen. Weiter würden die ArbeiterInnen, die unter anderem aus Ungarn stammen, bis zu 20 Stunden pro Woche Gratisarbeit leisten und psychisch unter Druck gesetzt werden, so die Unia. Das Urteil steht noch aus, doch Goger ist ein alter Bekannter: Bereits Anfang 2014 wurde das Unternehmen gebüsst und musste Lohnnachzahlungen von 300 000 Franken leisten.
Versuchte Ungültigkeitserklärung
Die Liste von Verstössen dürfte insgesamt noch um einiges länger sein als bekannt. Die Arbeitskontrollstelle für den Kanton Zürich (AKZ) registrierte allein im letzten Jahr 3 500 Fälle, bei denen Verdacht auf Verletzung eines GAV besteht. Die Fälle, bei denen die Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden konnten, seien «nur die Spitze des Eisbergs», heisst es seitens der Unia.
Dass Lohdumping ein «Problem» ist, finden mittlerweile, zumindest offiziell, auch Politik und Konzerne, es brauche aber höchstens «Verbesserungen im Vollzug» der flankierenden Massnahmen, heisst es. FDP, CVP und GLP versuchten im Kantonsrat das Volksbegehren gar für ungültig erklären zu lassen, da die flankierenden Massnahmen im Bundesrecht geregelt seien und es für kantonale Bestimmungen «keinen Raum» gebe. Dabei kennen bereits die Kantonen Basel-Land und Genf eigene Gesetze gegen Lohndumping.
Klar ist: Sollte die Vorlage im Kanton Zürich angenommen und Arbeitsstopps künftig tatsächlich verfügt werden, würde das die UnternehmerInnen dort treffen, wo es am meisten weh tut. Denn: Eine ruhende Baustelle kostet die Herrschaften weitaus mehr als drohende Bussen.