sah. Per Videobotschaft bekundete Bundesrat Alain Berset Solidarität mit den Anliegen des Frauen*streiks. Tage später schlug er eine Reform vor, bei der auf dem Rücken der Frauen* die Altersvorsorge saniert werden soll. Aktivist*innen frischten am 1. August Bersets Gedächtnis auf.
«Da zieht eine kleine Wolke vorbei.» Das soll der Kommentar des SP-Bundesrats gewesen sein, als die Aktivist*innen sich vor ihm anlässlich der 1.-August-Rede in Yverdon-les-Bains aufgebaut hatten. Die Antwort darauf folgte sofort: «Auch kleine Wolken können sich zu einem grossen Gewitter zusammenballen…». Bei der 1.August-Rede von Bundesrat Alain Berset in Yverdon les Bains protestierten Aktivist*innen aus der ganzen Schweiz friedlich mit der Botschaft «Lohn, Zeit und Respekt» auf ihren T-Shirts und kleinen Schildern gegen die Erhöhung des Rentenalters (siehe Bild auf Frontseite). Doch warum kam es zu dieser friedlichen Aktion?
Alles schon vergessen?
Noch am 14. Juni 2019 hatte Alain Berset per Videobotschaft Solidarität mit den Anliegen des Frauen*streiks bekundet. In seinem Facebook-Clip, angelehnt an das legendäre Musikvideo «Subterranean Homesick Blues» von Bob Dylan, präsentierte das Regierungsmitglied seine Forderungen be-züglich Streik ohne Worte und auf viele Kartonplatten geschrieben. Kaum waren Tage aber vergangen, da schien diese Unterstützung rund um den Frauen*streik vergessen zu sein. Berset legte nämlich eine Altersreform vor, bei deren Erarbeitung die zuvor ausgesprochene Solidarität mit den Anliegen der Frauen* auf Eis gelegt würde. Mit der Reformvorlage AHV 21 soll einmal mehr versucht werden, auf dem Rücken der Frauen* die Altersvorsorge zu sanieren. Die Erhöhung des Frauen*rentenalters ohne Aussicht auf Lohngleichheit und Anerkennung der unbezahlten Arbeit ist unter dem Strich eine Rentenkürzung. Noch am 14.Juni gingen Frauen* zu Hunderttausenden auf die Strasse, um ihre Wut darüber auszudrücken, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Auch Altersarmut war hier ein wichtiges Thema.
Frauen* arbeiten zu wenig?
Kaum drei Wochen später kommt der absolute Gau: «Die Frauen* sollen einmal mehr die Sanierung der AHV schultern. Das machen auch die vorgeschlagenen Kompensationsmassnahmen nicht wett. Die Kompensation beträgt bloss einen Drittel dessen, was die Frauen durch die Erhöhung des Frauen*rentenalters an die Reform beitragen sollen», sagt Simona Isler vom Komitee Bern. Wir wissen, dass Frauen* in der Altersvorsorge wegen den Pensionskassenrenten insgesamt ein deutlich tieferes Rentenniveau haben als Männer*. Die Rentenstatistik von 2017 zeigt: die Männer* erhielten etwa doppelt so hohe Leistungen aus der 2. Säule als die Frauen* im gleichen Jahr. Frauen* haben gesamthaft rund 100 Milliarden Franken weniger Einkommen pro Jahr – obwohl sie gleich viele Stunden arbeiten wie Männer*. Die Auswirkung auf ihre Rente: Durchschnittlich fast 20000 Franken weniger Rente pro Jahr für jede Frau*. «Angesichts der nach wie vor grossen Einkommens- und Rentendifferenzen, die trotz gleicher Anzahl Arbeitsstunden zwischen Frauen* und Männern* bestehen, akzeptieren wir keine Erhöhung des Frauen*rentenalters. Der Reformvorschlag rund um Berset weckt den Anschein, Frauen* würden zu wenig arbeiten», fasst die Aktivistin Angelina Hofer zusammen. Was wir brauchen, ist eine Senkung der Erwerbsarbeitszeit für alle, die finanzielle Anerkennung unbezahlter Sorgearbeit und bessere Löhne und Arbeitsbedingungen im bezahlten Care-Sektor.
Ein Erfolg!
Auch am 1.August liess Alain Berset die feministische Kritik an seiner Reform an den Rand drängen – diesmal durch anwesende Polizeikräfte. «Die Aktion war schwierig durchzuführen, da wenige Aktivist*innen und viel Polizei, die partout nicht wollte, dass wir unsere friedliche und ruhige Aktion durchführen und uns versucht hat, daran zu hindern, überhaupt vor die Bühne zu kommen…», erinnerte sich eine Aktivistin, die an der Aktion teilnahm. Nichtsdestotrotz war diese ein Erfolg, da die Anliegen des feministischen Streiks erneut sichtbar gemacht wurden: Berset hat uns gesehen.