Das Staatssekretariat für Migration betreibt aktiv Lohndumping! Diesen happigen Vorwurf erheben der VPOd-NGO, die Demokratische Jurist*innen Schweiz und Solidarité sans frontières. Grund sind die tiefen Pauschalen für die Arbeit der Beratungsstellen für Asylsuchende.
Am 26. Februar 2019 veröffentlichten das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Liste der für die erweiterten Verfahren zugelassenen Rechtsberatungsstellen. Diese bieten jenen Asylsuchenden Beratung und juristische Vertretung an, die gemäss neuem Asylgesetz den Kantonen zugewiesen werden. Die Asylsuchenden im erweiterten Verfahren können sich also für alle wesentlichen Schritte auf dem Weg zum Asylentscheid unentgeltlich an diese Stellen wenden.
Schockiert!
Der Grundsatz einer kostenlosen anwaltschaftlichen Vertretung ist lobenswert und wir begrüssen deren Einführung. Fragwürdig erscheinen uns aber die lächerlich niedrigen Pauschalen, die das SEM für die Arbeit der Beratungsstellen beschlossen hat: zwischen 420 und 455 Franken pro Asylsuchende(n)! In den Bewerbungsunterlagen für die Zulassung wurde eine Liste mit den künftigen Aufgaben der Rechtsberatungsstellen vorgegeben. Sie umfasst 15 Punkte, von der Begleitung der Asylsuchenden bei den eventuellen Anhörungen über die üblichen anwaltlichen Tätigkeiten (Einarbeitung ins Dossier, Verfassen diverser Stellungnahmen und Eingaben, Vorbereitungs- und Vertiefungsgespräche usw.) bis hin zur Mitwirkung bei den Evaluationen auf Wunsch des SEM. Es wird sogar präzisiert, dass die Transportkosten von der Unterkunft der Asylsuchenden bis zur Rechtsberatungsstelle zulasten der Pauschale gehen!
«Wir sind von den vom SEM beschlossenen Beträgen schockiert», schreiben der VPOD-NGO, die Demokratische Jurist*innen Schweiz und Solidarité sans frontières in ihrer gemeinsamen Medienmitteilung. Und sie fügen korrekterweise hinzu: «Dies umso mehr, als im Rahmen der erweiterten Verfahren nur die komplexeren Asylverfahren – die zwangsläufig mehr Zeitaufwand benötigen – bearbeitet werden. Wenn man weiss, dass sich ein Anwaltshonorar pro Stunde auf 150 bis 250 Franken beläuft, so reichen die vorgesehenen Pauschalen nicht einmal für drei Stunden Arbeit pro Dossier.»
Das zeigt, dass die Bundesbehörden nicht bereit sind, den Asylsuchenden eine unentgeltliche anwaltschaftliche Vertretung anzubieten, wie sie dies als Gegenleistung zu den beschleunigten Verfahren versprochen haben. Die Rechtsberatungsstellen müssen zwangsläufig andere Mittel mobilisieren, um ihre Arbeit für das SEM – Löhne und Infrastruktur – zu finanzieren. Nur logisch, dass die drei Organisationen sehr beunruhigt über die Folgen sind, die diese Finanzierungspolitik unweigerlich auf die Anstellungsbedingungen der professionellen Rechtsberater*innen und demzufolge auf die Qualität der Beratung und Vertretung der Asylsuchenden haben wird. Sie halten fest: «Wir befürchten, dass die beauftragten Beratungsstellen bei allem guten Willen mit einer derartigen Finanzierung nicht unter annehmbaren und fachlich professionellen Bedingungen arbeiten können.»
Klare Forderungen
«Wir verlangen daher vom SEM, umgehend auf diesen Entscheid zurück zu kommen», ist in der Medienmitteilung weiter zu lesen. Die die Rechtsberatungspauschalen soll so nach oben angepasst werden, dass den damit beauftragten Jurist*innen ein Lohn garantiert wird, der den branchenüblichen Vorgaben entspricht, ohne dass die Beratungsstellen zusätzlich eigene Mittel für Löhne und Infrastruktur generieren müssen. Im Hinblick auf die Ausschreibung der Leistungsverträge für die Führung der neuen Bundeszentren muss ebenfalls sichergestellt werden, dass in den Zentren genügend und gut ausgebildetes Fach-Personal eingestellt wird – zu branchenüblichen Löhnen (Sozialbetreuungs-, Bildungs- und Gesundheitsbereich). Zudem müssen die Anbieter zu Lohntransparenz und Offenlegung ihrer Anstellungsbedingungen verpflichtet werden.