1970 ging der Student Wolfgang Schaumberg mit einigen GenossInnen in die Bochumer Opel Werke als einfacher Hilfsarbeiter, um marxistische Interventionsarbeit zu leisten. 40 Jahre lang prägte die Gruppe oppositioneller GewerkschafterInnen bei Opel die Arbeitskämpfe. Ein Gespräch.
Du warst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), was hast du damals studiert, und seit wann warst du im SDS?
Ich bin 1966 von Heidelberg nach Bochum gekommen, in diesem Jahr wurde ich auch aktiv im SDS. Als Hauptfach hatte ich Germanistik und als zweites Fach evangelische Theologie. Im Laufe des Studiums hatte ich mich dann allerdings von der Religion gelöst. In Heidelberg war ich 1965 das erste Mal auf der Strasse bei einer Demo gegen den Bildungsnotstand. In Bochum wurden wir alle sehr ergriffen von der Studierenden- und Jugendbewegungen, wie sie sich in der Auseinandersetzung mit den Notstandsgesetze zeigte. Es war aber auch eine Bewegung, die ihre Impulse aus internationalen Ereignissen bekam.
Man kennt den SDS aus Berlin oder aus Frankfurt, weniger bekannt ist der Bochumer SDS, wo ausgerechnet hier die Studierenden in die Fabrik gingen. Warum gerade hier?
Wir hatten in Bochum schon Protestaktionen gegen die Notstandsgesetze erlebt, wo Beschäftigte von Krupp damals mit auf die Strasse gingen. Und wir waren besonders gepackt von den Septemberstreiks 1969, wo es im Bergbau und in der Stahlindustrie sogenannte wilde Massenstreiks gab. Parallel dazu war ja schon 1968 sehr viel in Frankreich bei den Mai-Unruhen gelaufen, wir haben diskutiert und gemerkt, dass wir nicht von der Universität aus die gesellschaftlichen Veränderungen erreichen, die uns vorschwebten. Wir entschlossen uns, unter die Leute zu gehen, die durch ihre Arbeit die Profitmacht der KapitalistInnenklasse schaffen und erhalten. Einher ging dann diese Überlegung eine Kommunistische Partei aufzubauen, und zwar nicht wie die neugegründete DKP – die wir als revisionistisch kritisierten. Aufgrund der vielen leeren Stellen am Fliessband war es dann für mich im Juli 1970 einfach bei Opel unterzukommen.
Was war am Anfang die Erwartung und wie war die Realität?
Wir waren von dem, was in der Welt passierte, total enthusiastisch und im guten Glauben, wir könnten in kurzer Zeit das verwirklichen, was uns vorschwebte, nämlich eine andere Gesellschaft. Als ich dann bei Opel landete mit 21 000 Leuten morgens um 5.15 Uhr, da habe ich sehr schnell gemerkt, dass wir viel zu lernen haben. Die KollegInnen waren anders drauf, hatten ein anderes Bewusstsein, hatten andere Sorgen und Zukunftsvorstellungen als wir. Ich habe mich dann doch Schritt für Schritt von einem Parteiaufbau gelöst. Meinen GenossInnen musste ich dann eben sagen: «Das mit der Revolution kann vielleicht doch noch zehn Jahre dauern.» So war die erste Zeit in den Betrieben mit einer Desillusionierung verbunden. Ich hatte aber das Glück, bei Opel in Bochum Ex-KPD-KollegInnen zu treffen. Und einige der über 2000 spanischen KollegInnen kamen aus kommunistischen Traditionen.
Man kann es doch bestimmt auch heute noch wagen, in die Betriebe zu gehen. Sollte der heutige SDS oder andere politische Gruppen das versuchen?
Ich finde erst einmal gut, wenn man das ein bisschen diskutiert und untersucht, ob es da Betriebe ab 500 Beschäftigten im eigenen Umfeld gibt. Da, wo man sich vielleicht mal nähern könnte und untersuchen könnte, was da eigentlich so los ist: Wie die Leute drauf sind, welche Schwierigkeiten sie haben, wie sie organisiert sind. Ein Gang in die Betriebe so direkt, kann ich eigentlich nur denen zumuten, die da schon langfristige Überlegungen haben, ihr Leben auf politischen Kampf auszurichten. Dann ist meines Erachtens auch unabdingbar, dass man das im Zusammenhang mit einer Gruppe oder so anpeilt und sich nicht vorstellt: Ich gehe alleine in den Betrieb und fange da an alleine politische Gruppen aufzubauen. Amazon stellt noch Leute ein, vielleicht kann man dort in den Betrieb; in der Hoffnung, nach einem halben Jahr übernommen zu werden, um dann ein langfristiges Projekt anzugehen.