Nachdem Lula da Silva als Kandidat für die kommenden Präsidentschafts-wahlen in Brasilien illegalerweise ausgeschlossen wurde, steigt Fernando Haddad für die ArbeiterInnenpartei ins Rennen. Haddad war progressiver Bildungsminister und Bürgermeister von São Paulo.
Der ehemalige Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, der bei den Umfragen zur Präsidenschaftswahl vornelag, hat seine Kandidatur an seinen Vize-Präsidentschafts-kandidat Fernando Haddad übertragen. Entgegen der brasilianischen Verfassung sowie einem Entscheid des UN-Menschenrechtsausschusses durfte Lula, der aufgrund von fabrizierten Vorwürfen in einem Gefängnis in Curitiba sitzt, nicht an den Wahlen teilnehmen. Wer ist also sein Ersatzmann für das höchste Amt Brasiliens?
Universität für alle
Fernando Haddad ist der Sohn libanesischer ImmigrantInnen. Er wuchs in Planalto Paulista, einem Quartier in São Paulo, auf, wo er in seiner Jugendzeit im Stoffladen des Vaters aushalf. Während seinem Studium an der Universität von São Paulo beteiligte er sich an der «Direitas Já!»-Bewegung gegen die damalige Militärdiktatur und für freie Wahlen in Brasilien. Er machte seinen Abschluss der Rechtswissenschaft 1981, er verfügt auch über den Master in Wirtschaft und einen Doktortitel der Philosophie. Er diente als Bildungsminister ab 2005 – während Lulas Präsidenschaft – bis 2012 unter der ersten Amtszeit von Dilma Rousseff. Sein Departement konnte den Bildungsentwicklungsplan durchsetzen, mit dem es in Bildungsangelegenheiten von Kindergärten bis zum Doktorandenstudium eingreifen konnte. Das Departement führte auch Massnahmen ein, um jährliche Strategien für alle staatlichen Schulen zu entwickeln sowie um Schulen besser mit Schulmaterial zu versorgen.
Eine wichtige Errungenschaft von Haddad als Bildungsminister war das Programm «Universität für alle», das Stipendien an einkommensschwache Studierende verleiht, damit sie an Privatuniversitäten studieren können. Er ist auch für die Einrichtung von 14 neuen öffentlichen Universitäten und 214 technischen Schulen verantwortlich, baute 126 neue Universitätscampusse und eröffnete 587 Fernstudienprogramme. 2012 wurde Haddad zum Bürgermeister von São Paulo gewählt. Hier erreichte er unter anderem die Herausbildung von 23 000 MikrounternehmerInnen, die Errichtung von 12 neuen Zahnkliniken und 42 öffentliche Wifi-Stellen und baute 12,4 km Velowege.
Anfang September hat nun Lula seine Präsidentschaftskandidatur an Haddad übergeben. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibope zu den Präsidentschaftswahlen in Brasilien kommt Haddad als Kandidat der Arbeiterpartei (PT) auf 19 Prozent und konnte damit seit der letzten Umfrage um 11 Punkte zulegen. Der rechtsextreme Kandidat der Sozialliberalen Partei, Jair Bolsonaro, liegt bei 28 und Ciro Gomes, Mitte-Linkskandidat von der Demokratischen Arbeiterpartei, bei 11 Prozent. Eine Umfrage der gewerkschaftsnahen Vox Populi sieht Haddad sogar als Spitzenreiter im Rennen: Mit 22 Prozent befindet er sich vor Bolsonaro (18 Prozent).
Der seit April inhaftierte ehemalige Präsident Lula da Silva darf weiterhin keine Interviews geben oder Videos aufnehmen, die zum laufenden Wahlkampf in Brasilien beitragen. Durch richterlichen Beschluss ist er von der Teilnahme als Kandidat ausgeschlossen, dennoch ist Lula eine entscheidende Figur im Disput um die Präsidentschaftswahl. Angesichts der ersten Wahlrunde in zwei Wochen rief er dazu auf, «den Aktivismus zu verdoppeln».