Das Ziel eines jeden Kommunisten und jeder Kommunistin ist der Kommunismus, das scheint völlig einleuchtend. Leider ist die Situation heute aber so, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern sogar Organisationen sich kommunistisch nennen, die keine wirkliche Vorstellung (mehr) davon haben, was sie wollen. Was heisst es also KommunistIn zu sein? Was heisst es, den Kommunismus als Ziel zu haben? Und wie kommen wir dorthin?
Kommunismus ist möglich,…
Unter dem Kommunismus verstehen wir die klassenlose Gesellschaft. Hier sind die Produktionsverhältnisse derart beschaffen, dass es weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit gibt, dass sich bestimmte Menschen die Arbeit anderer aneignen und sich damit zur ökonomisch (und damit einhergehend auch politisch) herrschenden Klasse machen. Dass eine solche Gesellschaftsform möglich ist und also nicht einem angeblichen „schlechten Wesen des Menschen“ widerspricht, zeigt die Urgesellschaft: Diese auch Urkommunismus genannte naturwüchsige Gesellschaftsform war frei von jeder Ausbeutung.
Der Urkommunismus stand ganz am Anfang der Geschichte der menschlichen Gesellschaft, wo sich die Produktivkräfte gerade erst begannen zu entwickeln. Die „Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, eine herrschende und eine unterdrückte Klasse“ war daher nach Friedrich Engels eine „notwendige Folge der früheren geringen Entwicklung der Produktion“. Der Kommunismus wird demgegenüber die höchst entwickelte Produktionsform verwirklichen, die gesellschaftliche Planung der ebenso gesellschaftlichen Produktion, mit Marx‘ Motto vor Augen: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Dass die Zeit bereits gekommen ist, den Weg Richtung Kommunismus zu beschreiten, sieht man daran, dass die Produktion heute schon in höchstem Mass gesellschaftlich funktioniert, während die private Aneigung des gesellschaftlichen Reichtums durch einige wenige von einer Triebkraft, wie sie es im Frühkapitalismus war, zu einem Hemmnis der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung geworden ist.
KommunistIn sein bedeutet aber mehr als nur das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft vor Augen haben. Andernfalls müsste man alle AnarchistInnen und SozialistInnen, aber auch zahlreiche AnhängerInnen von Glaubensgemeinschaften, die mit den Kämpfen der ArbeiterInnenbewegung eher am Rande zu tun haben, als KommunistInnen bezeichnen. Begrifflich wäre das offenbar unsinnig. Was unterscheidet dann aber die KommunistInnen von den genannten anderen Gruppierungen?
… aber nur über den Sozialismus!
KommunistIn sein bedeutet auch eine bestimmte Idee davon zu haben, wie man das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft zu erreichen gedenkt. Zum Beispiel unterscheidet sie von Gläubigen, dass sie davon überzeugt sind, dass man mit Beten nichts bewegen wird. Von den AnarchistInnen unterscheidet sie, dass sie die Befreiung der Individuen mittels der Befreiung der Gesellschaft erreichen wollen und nicht, wie die AnarchistInnen, umgekehrt. Mit den SozialistInnen (im engeren Sinn) gemeinsam haben sie die Vorstellung, dass es auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft einer längeren Übergangsperiode bedarf. Sie unterscheiden sich aber von den SozialistInnen dadurch, dass sie auf den Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaft orientieren, um auf ihren Trümmern den Sozialismus zu errichten. Der Sozialismus stellt zwar selbst eine Klassengesellschaft dar, allerdings eine, die die Bedingungen zum Hinüberwachsen in den Kommunismus schafft. Die SozialistInnen hingegen setzen Kommunismus und Sozialismus gleich und glauben, dass man direkt vom Kapitalismus schrittweise in eine klassenlose Gesellschaft übergehen kann.
Warum aber ist der Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaft notwendig, warum kann man nicht von ihr ausgehend zu einer klassenlosen Gesellschaft kommen? Nun ja, das Problem ist, dass es im Kapitalismus noch Kräfte gibt, die an einer klassenlosen Gesellschaft ganz und gar nicht interessiert sind – und auch nicht interessiert sein können, „bei Strafe ihres eigenen Untergangs“ (Marx): die KapitalistInnenklasse. Sie muss alles daran legen, fortschrittliche Tendenzen zu verhindern. Und die Geschichte hat bereits unzählige Male gezeigt, dass sie das auch tut: Die blutige Niederschlagung der Pariser Kommune sowie der Faschismus, der die Reaktion auf eine gefährlich stark werdende ArbeiterInnenbewegung darstellt, sind nur zwei Beispiele. Der kapitalistische Staat ist der Staat der KapitalistInnen: So kontrollieren sie nicht nur die Produktion, sondern zum Beispiel auch das Militär und über die gleichgeschalteten Medien eine Propagandamaschinerie, mit der sie fortschrittliche Bewegungen im Keim ersticken (versuchen). Bevor es also auch nur ansatzweise dazu kommen könnte, zur klassenlosen Gesellschaft „hinüberzuwachsen“, hat die KapitalistInnenklasse schon längst alles, und zwar wirklich alles, was notwendig ist, in Bewegung gesetzt, um das zu verhindern – die nötigen Mittel dazu haben sie im Kapitalismus ja. Vor diesem Hintergrund muss es als eine (gemein-)gefährliche Illusion bezeichnet werden, zu glauben, man könne vom Kapitalismus in die klassenlose Gesellschaft „hinüberwachsen“.
One solution: Revolution!
Stattdessen muss für unseren Zweck den KapitalistInnen die ökonomische und politische Herrschaft und damit die Mittel, den Übergang zur klassenlosen Gesellschaft zu verhindern, entrissen werden. Nur auf der Basis einer Gesellschaftsordnung, deren herrschende Klasse das objektive Interesse hat, die Klassengesellschaften überhaupt zu überwinden, kann der Weg zum Kommunismus bereitet werden. Diese Gesellschaftsordnung nennen wir Sozialismus. Zu ihm kann man aus den selben Gründen ebenfalls nicht einfach „hinüberwachsen“, sondern er kann nur durch einen revolutionären Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaft erreicht werden. Dafür wiederum ist es erforderlich, dass eine revolutionäre Kraft eine revolutionäre Situation ausnutzt und die Revolution durchführt.
Eine revolutionäre Situation ist dann gegeben, wenn sich ein Gesellschaftssystem in einer tiefen Krise befindet, wenn die Klassenwidersprüche zugespitzt sind, offen zutage treten und von den Leidtragenden nicht mehr geduldet werden. Bewegungen von unten entstehen nun, die sich gegen das bestehende System wenden. Eine solche Situation ergibt aber noch nicht automatisch eine Revolution, wie die Geschichte eindeutig zeigt: Zu oft schon wurde eine Revolution von „Gemässigten“ dadurch verhindert, dass sie die Volksmassen in einer revolutionären Situation beschwichtigt und auf einige Zuckerl seitens der Herrschenden vertröstet haben. Es braucht in einer revolutionären Situation daher eine ausreichend starke Kraft, die sich dem entschlossenen Kampf um die Macht widmet, Beschwichtigungen als solche entlarvt und die Bevölkerung zur Revolution führt. Sie muss den Willen der Bevölkerung aufgreifen, sodass sie sich auf sie stützen, die Macht erkämpfen und schliesslich auch aufrecht erhalten kann.
Das erklärte Ziel dieser Revolution ist es, die Grundlage für den Übergang zur klassenlosen Gesellschaft zu schaffen, also der (ehemaligen) Ausbeuterklasse die Mittel zu entreissen, diesen Übergang zu verhindern. Mit der errungenen Macht muss ein Staat errichtet werden, der es sich zur Aufgabe macht, Restaurationsversuche zurückzuschlagen, ideologische Überbleibsel aus den vorherigen Klassengesellschaften zu überwinden und die sozialistische Wirtschaft zu entwickeln. Auch dieser Staat ist aber nicht von Dauer, denn wenn die sozialistische Revolution die Überwindung der Klassengesellschaft zum Ziel hat, dann auch die Überwindung jeglichen Staates, ist doch der Staat „nach Marx […] ein Organ der Klassenherrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere“. Lenin schreibt in seiner Schrift „Staat und Revolution“: „Die Ablösung des bürgerlichen Staates durch den proletarischen ist ohne gewaltsame Revolution unmöglich. Die Aufhebung des proletarischen Staates, d.h. die Aufhebung jeglichen Staates, ist nicht anders möglich als auf dem Wege des ‹Absterbens’“. Warum aber schreibt er ausgerechnet von einem „proletarischen“ Staat, also von einem ArbeiterInnenstaat?
ArbeiterInnenklasse voran!
Wir haben oben davon gesprochen, dass die herrschende Klasse im Sozialismus eine Klasse sein muss, deren objektives Interesse die klassenlose Gesellschaft ist. Überlegen wir also, welche Klasse das ist. Unter den ökonomischen Bedingungen des Kapitalismus haben sich zwei Hauptklassen herausentwickelt: die KapitalistInnenklasse und die ArbeiterInnenklasse. Marx und Engels schrieben 1848: „Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei grosse feindliche Lager, in zwei grosse, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.“ Natürlich gibt es daneben noch kleinere andere Schichten. Doch diese beiden Klassen spielen die ökonomisch bei weitem wichtigste Rolle im Kapitalismus. Nicht zufällig heisst dieses Gesellschaftssystem Kapitalismus, es ist nun einmal dasjenige Gesellschaftssystem, in dem die KapitalistInnen die herrschende Klasse darstellen. Und der natürliche Gegenspieler der KapitalistInnen sind die ArbeiterInnen; von ihnen sind sie ausserdem existenziell abhängig, da sie keine KapitalistInnen mehr wären, würden sie nicht die Arbeitskraft anderer ausbeuten. Natürlich gibt es auch innerhalb der beiden Hauptklassen (tatsächliche) Unterschiede. Doch muss man imstande sein, tatsächliche Unterschiede von nur scheinbaren, oder solchen, die bewusst von der Kapitalistenklasse zum Zwecke der Verwischung der Klassenverhältnisse hervorgerufen wurden, auseinander zu halten – Stichwort Scheinselbstständigkeit. Wie man aber die Kapitalistenklasse von der ArbeiterInnenklasse unterscheiden kann, daran hat sich seit Engels nichts geändert: „Unter Bourgeois wird die Klasse der modernen Kapitalisten verstanden, die Besitzer der gesellschaftlichen Produktionsmittel sind und Lohnarbeit ausnutzen. Unter Proletarier die Klasse der modernen Lohnarbeiter, die, da sie keine eigenen Produktionsmittel besitzen, darauf angewiesen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um leben zu können.“ Welche von den beiden Hauptklassen der kapitalistischen Gesellschaft wird nun Interesse daran haben, die Klassengesellschaften zu überwinden? Natürlich die ArbeiterInnenklasse! Die ArbeiterInnenklasse muss also die herrschende Klasse jener Gesellschaftsordnung werden, deren Aufgabe es ist, den Weg zur klassenlosen Gesellschaft zu ebnen. Diese Tatsache leugnen, heisst den Marxismus verneinen, denn „das Wichtigste in der Marxschen Lehre ist die Klarstellung der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats als des Schöpfers der sozialistischen Gesellschaft.“
„Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“ (Brecht)
Es sind also die ArbeiterInnen, die die sozialistische Revolution vollziehen müssen. Wenn aber der Sozialismus im Interesse der ArbeiterInnenklasse liegt und sie dazu fähig sind, ihn zu erkämpfen, warum leben wir dann nicht schon lange im Sozialismus? Nun ja, den ArbeiterInnen ist nicht von Haus aus ihre Lage klar, geschweige denn ihre grosse Aufgabe. Sie müssen diese Klarheit erst durch zähe Klassenkämpfe, durch die die Klassenwidersprüche immer offensichtlicher werden, erlangen. In diesem Prozess wird die Klasse „an sich“ zur Klasse „für sich“, es entwickelt sich Klassenbewusstsein. Damit diese Erkenntnis aber nicht immer wieder durch bürgerliche Propaganda verwischt wird, braucht es eine Kraft innerhalb der ArbeiterInnenklasse, die diese bürgerliche Propaganda entlarvt, die die Widersprüche in der Gesellschaft aufdeckt und den Lösungsweg aufzeigt. Es braucht eine Kraft, die sich sowohl der Lage als auch der historischen Aufgabe der ArbeiterInnenklasse voll bewusst ist, und die sich eben nicht durch die bürgerliche Propaganda in die Irre führen lässt.
Diese Kraft, dieser Teil der ArbeiterInnenklasse hat quasi schon die „Einsicht in die Notwendigkeit“. Die Einsicht alleine ist aber nicht ausreichend, denn es könnte ja sein, dass man sie auf sich beruhen lässt, die Hände in den Schoss legt und sich ein möglichst bequemes Leben macht. Es muss noch dazukommen, dass man diese Einsicht dazu ausnutzt, um in die richtige Richtung tätig zu sein. Den „einsichtigen“ und in fortschrittlicher Richtung tätigen Teil der ArbeiterInnenklasse bezeichnen wir schliesslich als ihre Avantgarde, ihren Vortrupp. Aufgabe der Avantgarde der ArbeiterInnenklasse ist es, einen Kompass in Richtung Kommunismus zu liefern, in theoretischer wie praktischer Hinsicht. Fernab jeglicher Besserwisserei und jeglichen Abenteurertums muss sie an der vordersten Front der aktuellen sozialen Kämpfe stehen und diesen Kampf dabei stets mit dem Endziel „Kommunismus“ und den strategischen Schritten dorthin theoretisch verknüpfen. Die Avantgarde besteht aber nicht aus einzelnen Individuen, die voneinander isoliert für den Kommunismus tätig sein wollen. Stattdessen arbeiten diese Individuen gemeinsam und schliessen sich zu Organisationen zusammen, wodurch sie nicht nur die Schlagkraft für die Durchsetzung ihrer gemeinsamen Ziele vervielfachen, sondern die Erreichung dieser Ziele auch überhaupt erst ermöglichen. Sinnvollerweise schliesst sich die Avantgarde zu mehreren verschiedenen Organisationen zusammen, um das nötige Klassenbewusstsein auch in die entsprechenden verschiedenen Lebensbereiche der ArbeiterInnenklasse zu tragen. So könnte es Jugend-, Frauen-, MigrantInnen-, oder Kulturorganisationen geben. Um aber zu verhindern, dass diese Organisationen voneinander losgelöst arbeiten und sich somit früher oder später in verschiedene Richtungen entwickeln, braucht es eine zentrale Organisation, die sämtliche Fäden der revolutionären ArbeiterInnenbewegung in sich zusammenführt: die Kommunistische Partei.
Langer Rede, kurzer Sinn
Mit dem Instrument einer revolutionären Partei muss also die Avantgarde der ArbeiterInnenklasse Klassenbewusstsein verbreiten. In einer revolutionären Situation kann sie dann – wenn das Klassenbewusstsein ausreichend ausgeprägt und die Partei organisatorisch stark genug ist – eine sozialistische Revolution durchführen. Sie ist notwendig, um der KapitalistenInnenklasse die Mittel zu entreissen, das Hinüberwachsen zum Kommunismus, der klassenlosen Gesellschaft, zu verhindern.
In grober Weise wurden hier einige geschichtsphilosophische Erkenntnisse umrissen, die auf den Überzeugungen der KommunistInnen, auf dem dialektischen und historischen Materialismus, basieren und gleichzeitig ihre strategischen Eckpunkte darstellen. Die Dialektik lehrt zwar auch, dass Erkenntnisse niemals völlig umfassend und der Wahrheit entsprechend und Theorien niemals völlig entwickelt sein können. Dennoch muss jede/r, der/die sich KommunistIn nennen will und an diesen grundlegenden strategischen Zügen zweifelt, entweder sauber argumentieren, warum es dennoch gerechtfertigt sei, sich KommunistIn zu nennen und worin die Fehler in der obigen zusammenfassenden Darstellung liegen – oder aber diese Person soll aufhören sich KommunistIn zu nennen.