Lorena. Der 1. Mai in Luzern stand ganz im Zeichen des Frauen*streiks. Doch wie muss mensch sich eine solche Veranstaltung in der konservativen Zentralschweiz vorstellen? Eine kurze Reportage.
Am Boden liegt ein grosses, weisses Leintuch, darüber beugen sich zwei Frauen und eine Handvoll Kinder. Sie bereiten ein Transparent für den Frauen*streik am 14. Juni vor – mit viel Glitzer, den die Kinder anbringen. Es ist der 1. Mai in Luzern.
Vor dem Neubad tummeln sich einige Leute, mit der Zeit werden es immer mehr. Pünktlich um 19 Uhr begrüsst der Präsident des Luzerner Gewerkschaftsbundes, Martin Wyss, die Besucher*innen der 1.Mai-Feier in Luzern. Er spricht vom Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, vom Slogan «Mehr zum Leben» und von den kommenden Regierungsratswahlen in Luzern. Zu «Mehr zum Leben» hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund am 1. Mai 2019 aufgerufen: Damit gemeint ist ein Zusammenstehen, gemeinsam kämpfen und sich gegen Angriffe auf zentrale Grundregeln zum Schutz der Arbeitenden wehren. Oft rühmt der Arbeitgeberverband das Schweizer Arbeitsrecht als äusserst flexibel und liberal. Aber die gleichen Kreise wollen auch Arbeitszeiterfassungspflicht, Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten schleifen. Es ist aber klar – so schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund: es braucht MEHR statt weniger Zeit zum Leben. Er fordert fünf Wochen Ferien für alle. «Damit ist klar: Die Zeiger müssen neu ausgerichtet werden. Es ist Zeit für MEHR Lohn, MEHR Rente, MEHR Lohngerechtigkeit, MEHR Gleichstellung, MEHR Prämienverbilligungen, MEHR Lohnschutz und für MEHR Zeit für uns selber. Kurzum fordern wir: MEHR ZUM LEBEN.»
Ganz im Zeichen des Streiks
Damit setzt sich das Thema am Redner*innen-pult auch gleich fort, nach Wyss redet Korintha Bärtsch, die Regierungsratskandidatin der Grünen. Es geht um die Notwendigkeit vom Frauen*streik, aber auch um die Notwendigkeit einer weiblichen Vertretung in der Regierung. Natascha Wey, Co-Präsidentin der SP-Frauen* Schweiz, hielt das Hauptreferat. Auf der Website des Luzerner Gewerkschaftsbundes habe zuerst fälschlicherweise «Mehr vom Leben» gestanden, erzählt sie – so falsch sei das aber gar nicht gewesen. Gerade für Frauen* fehle es oft an Zeit, weil die eigentliche Freizeit von Care-Arbeit beherrscht ist. Da bleibt für andere Dinge, wie einfach mal in den Ausgang gehen, kaum Zeit, sobald Kinder da sind.
Für mehr Lohn, für mehr Zeit und für mehr Respekt, dafür streike sie am 14. Juni – und dafür rufe sie auch alle anderen Frauen* auf, es ihr gleich zu tun. «Wir streiken» sagen denn auch die aneinander gereihten T-Shirts, welche bei der darauffolgenden Mobilisierungsaktion für den Frauen*streik getragen werden. Der 1. Mai in Luzern, ganz im Zeichen des kommenden Streiks. Zum Schluss wurde im ehemaligen Becken des Hallenbads über den Frauen*streik, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen* in den Gewerkschaften, Frauen* und Migration oder auch die Entwicklung von Gleichstellungsthemen in den letzten Jahren in Form eines Podiums diskutiert. Fahnen und Buttons für den Frauen*streik waren beim Komitee nach dem 1. Mai kaum mehr übrig – fast alle wurden sie mitgenommen. Denn auch in der konservativen Zentralschweiz gilt am 14. Juni: Wenn Frau will, steht alles still! Mit dieser Parole und anderen schlossen sich 1991 rund eine halbe Million Menschen zum Frauenstreik 91 zusammen. Dieser Frauenstreik ging als grösster Massenprotest der Schweiz in die Geschichte ein.
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