Die Ölpreise sind so niedrig wie schon lange nicht mehr. Für die erdölfördernden Länder bedeutet dies ungeheure Verluste. Trotzdem fördern allen voran Saudi-Arabien und die USA munter weiter. Für sie macht es in doppelter Hinsicht Sinn.
Momentan schwankt der Ölpreis um 50 US-Dollar je Barrel. Im Sommer 2014 waren es noch etwa 110 US-Dollar. Als Grund dafür wird der Anstieg der Erdölförderung insbesondere der USA ausgemacht. Nicolás Maduro, der Präsident von Venezuela, das stark vom Erdölexport abhängig ist, meint, die USA habe den Markt mit billigem Öl überschwemmt, um der Wirtschaft in Venezuela und Russland zu schaden. Sie hätten gar «einen Krieg geplant, um Russland und Venezuela zu zerstören. Um uns zu rekolonialisieren, unsere Unabhängigkeit und Revolution zu zerstören».
Ähnlich, aber umgekehrt heisst es von iranischer Seite: «Es ist ein Krieg der Saudis gegen uns», zitiert der Spiegel den Vizepräsidenten der iranischen Energiekommission, Nasser Soudani. «Sie wollen sich rächen wegen Syrien, Irak, Jemen.» Saudi-Arabien, ein enger Verbündeter der USA, denkt nämlich auch nicht daran, die Erdölförderung zu drosseln. Und das, obwohl das Land bei einem Preis unter 85 US-Dollar Verlust macht und es die Macht, das heisst die Marktanteile, hätte, um den Ölpreis wieder in die Höhe zu treiben.
Politischer Hintergrund
Das Ganze macht stutzig. Dass es sich um einen Wirtschaftskrieg handelt, scheint offensichtlich. Die Saudis geben dies offen zu. Laut Rashid Abanmy, dem Präsidenten des regierungsnahen Zentrums für saudi-arabische Ölpolitik, werden die Ölpreise vorsätzlich heruntergedrückt, um politischen Druck auf Russland und den Iran auszuüben. Ziel sei es, den Iran zum Ende seines Nuklearprogramms zu drängen und Russland dazu bringen, seine Position Syrien gegenüber zu ändern. Der wirkliche Grund ist politisch, so Abanmy.
Aber Saudi-Arabien trifft mit einer solchen Politik seinen wichtigsten Partner, die USA. Seit 2009 hat das sogenannte Fracking jährlich zusätzlich 300 bis 400 Milliarden Dollar zum US-Wirtschaftswachstum beigetragen. Der Boom brachte den Arbeiter*innen in der Industrie höhere Löhne und den Unternehmer*innen sagenhafte Profite; jeder ins Fracking investierte Dollar brachte im Durchschnitt 1.48 Dollar an Gewinn. Zuletzt häuften sich allerdings Anzeichen, dass es mit dem Boom zu Ende geht (starker Anstieg von Arbeitslosigkeit in den Förderregionen etc.).
Beim Fracking wird mit Chemikalien Erdöl und -gas aus Schiefergestein gepresst. Es handelt sich aber um ein sehr kostspieliges Verfahren, das sich nur bei hohen Ölpreisen lohnt. Es ist viermal teurer als die konventionelle Förderung.
Wollte nun Saudi-Arabien mit dem Niederhalten der Ölpreise auch die aufkommende Konkurrenz durch das Fracking beseitigen?
Neuordnung der Branche
Wieso macht die USA dabei mit? Auf den ersten Blick scheint die Rechnung nicht aufzugehen: Die USA schneiden sich tief ins eigene wirtschaftliche Fleisch, um ein paar «feindliche» Länder zu piesacken. Eine befriedigende Erklärung hat Winfried Wolf geliefert, die wir hier wiedergeben wollen: «Tatsächlich gibt es zwischen Washington und Riad eine enge politische und militärische Zusammenarbeit […]. Warum sollte Riad offen eine Politik gegen Washington betreiben? In Wirklichkeit führt der Ölpreisverfall nicht zur Einstellung von Fracking, sondern zur Neuordnung dieser Branche. Wenn in den nächsten Monaten in den USA ein paar Fracking-Unternehmen Pleite gehen, so kann das den Grossen im Ölgeschäft recht sein. Die Fracking-Branche besteht überwiegend aus mittelgrossen und kleinen Unternehmen. Eine tiefe Krise und viele Pleiten im Fracking-Business ergeben für Exxon, Chevron & Co. Die Chance, sich profitable Technologie und zukunftsträchtige Kapazitäten für Schnäppchenpreise einzuverleiben. Es kommt zu einer klassischen Marktbereinigung und Kapitalkonzentration auf einem Gebiet mit neuer Technologie, wo zuerst einige eher kleine Unternehmen als Trüffelschweinchen vorgeschickt und dann geschlachtet werden.»
Gerne geht vergessen, dass in der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus die Monopole die herrschenden Wirtschaftsentitäten sind. Sie geben den Ton an im Weissen Haus und im saudischen Herrscherpalast, und für sie ist dieser Wirtschaftskrieg momentan zweifach günstig.