Rechtzeitig zum Tag der Frau, dem 8. März, haben die PdA Bern und MitstreiterInnen aus anderen Parteien (SP, JUSO, AL) letzte Woche eine Motion im Stadtrat eingereicht, die für ein paar Tage im Jahr die Förderung einer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem weiblichen Geschlechtsorgan, der Vulva, und mit Themen rund um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau* fordert. Dies soll der Tabuisierung des weiblichen Geschlechts entgegenwirken.
Aufklärerische und befreiende Wirkung
Die Vulva-Tage sollen der Sensibilisierung im Bezug auf anatomische Ausstattung und gesellschaftliche Gegebenheiten dienen und dabei helfen, die körperliche Ganzheit und Würde von Frauen* sicherzustellen. Es soll mittels Podien, Lesungen, Vorträgen, Aktionen und künstlerischer Auseinandersetzung eine aufklärerische, d. h. befreiende Wirkung erzielt werden.
Die Tabuisierung der Vulva schadet
Ausschlaggebend für das Einreichen der Motion sind verschiedene Gründe. Einerseits sind wir über die Publikation und Verwendung eines Aufklärungsbuches für Schülerinnen und Schüler in Zürich erschrocken, in dem letztes Jahr das Hauptlustorgan von Frauen*, die Klitoris, gefehlt hat.1
Andererseits fällt immer wieder auf, dass weitestgehend die Begriffe für das weibliche Geschlecht fehlen. So wird nicht nur häufig von „der Scham“ gesprochen, sondern die fehlenden Worte lösen auch Scham aus. Eine häufige Umschreibung ist „das da unten“, manche sagen sogar „After vorne“. Dieser sich in den Begrifflichkeiten manifestierenden Scham und Unkenntnis soll mit den Vulva-Tagen entgegengewirkt werden.
Zudem ist in der Auseinandersetzung mit der Mainstreampornographie festzustellen, dass dort neben der Gewalt im Akt ein falsches Bild des weiblichen Geschlechts vermittelt wird: Viele Pornodarstellerinnen lassen sich ihre inneren Schamlippen operativ entfernen, um der Idee einer möglichst kindlich aussehenden Vulva gerecht zu werden. Dies fördert eine verbreitete Unsicherheit bei Frauen*, ob sie „da unten“ auch schön seien, und ist ein Grund für die rasante Zunahme von wissenschaftlich kaum erforschten Schönheitsoperationen an der Vulva und Vagina.2
Möglichkeiten zur Durchführung von Vulva-Tagen in Bern
Viele Künstlerinnen und wohl auch Künstler haben sich mit den weiblichen Geschlechtsorganen beschäftigt. Zu nennen ist beispielsweise das Künstlerinnen-Kollektiv „Institut für Chauvinistische Weiterbildung“3, aber auch etablierte Künstlerinnen wie Valie Export oder im weitesten Sinne Miriam Cahn. Vorstellbar wären daneben auch Vorträge und Podien zum Thema (Lebens-)Lust, zur Funktionsweise der Vulva und Vagina, zu Gewaltprävention, Prostitution, Beziehung, Pornographie und Sexualität.
Mehrere Filme wie „Die göttliche Ordnung“ oder „Female Pleasure“ haben in letzter Zeit den Zusammenhang zwischen der Tabuisierung der weiblichen Sexualität und der vorherrschenden, weltweiten und systematischen Gewalt gegen Frauen aufgezeigt. Da wir Unwissenheit und Verkrampftheit bei diesem Thema vermuten, wollen wir mit dieser Motion einen Beitrag zur Lebenslust und Entkrampfung leisten. Das Private ist politisch, deshalb gilt es die gesellschaftliche Realität auch in diesem Bereich zum Besseren zu beeinflussen, ähnlich wie das die Stadt Bern beispielsweise im Bereich Anti-Rassissmus tut.
7. März 2019
Pressecommuniqué PdA Bern
http://www.taz.de/!5550546/. Zugriff: 26.2.2019.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/152997/Intimchirurgie-Operieren-ohne-Tabu. Zugriff: 15.01.2019.
2011 fanden in der Bundesrepublik etwa 5440 Schamlippenkorrekturen statt. Außerdem gab es 350 operative Eingriffe an der Vagina, wie etwa Straffungen.
Das „Institut für Chauvinistische Weiterbildung“ besteht aus den Schriftstellerinnen: Katja Brunner, Daniela Janjic, Gerhild Steinbuch, Darja Stocker und Ivna Zic.