Die Armee hat ein Personalproblem: Immer weniger junge Männer sind bereit, den militärischen Pflichtdienst zu leisten. Die Armee befürchtet langfristig einen Personalmangel. Deshalb sollen nun auch Frauen gezwungen werden, am Armee-Orientierungstag teilzunehmen.
Seit Februar 2016 bringt Guy Parmelin immer wieder die Idee ins Spiel, den Militärdienst auf Frauen auszuweiten. Ende Mai wurde nun an der Jahresversammlung der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr der Weg dazu geebnet: Ein Projektantrag zur Prüfung der Einführung eines obligatorischen Orientierungstages für Frauen, ganz im Sinne des VBS, wurde einstimmig beschlossen. Nun liegt der Ball bei den Kantonen. Eine eventuelle Umsetzung des Projektes käme nach dem Prüfungsprozess frühestens ab Beginn 2020 in Frage. Es wäre das erste Mal überhaupt, dass Frauen in der Schweiz im Zusammenhang mit dem Militär mit einem Zwang konfrontiert würden.
Kritik gegen dieses Vorhaben kommt, wie zu erwarten, vor allem von linker Seite. Kaum wurde der Entscheid der Regierungskonferenz kommuniziert, meldete sich die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) zu Wort. Für die ArmeegegnerInnen ist das Projekt klar ein Schritt in Richtung Wehrpflicht für Frauen. Deshalb werde die Gsoa sich mit Vehemenz gegen jeden Vorschlag stellen, die Dienstpflicht kurz- oder langfristig auf Frauen auszuweiten – und somit auch gegen die Einführung eines obligatorischen Orientierungstages. «Es ist wichtig, dass jede junge Person selbst entscheiden kann, ob sie einen Dienst leisten will oder nicht», sagt Eva Krattiger, politische Sekretärin der Gsoa. Sie stellt sich klar gegen jede Form von Zwangsmilitarisierung von Frauen und Männern.
Wehrpflicht abschaffen!
Zurzeit wirbt die Armee mit absoluter Gleichstellung der Geschlechter. In einem Propagandavideo für den Militärdienst für Frauen werden Soldatinnen mit Tarnanzügen und bemalten Gesichtern porträtiert. Körperlich werde von Männern und Frauen das Gleiche verlangt, weshalb sie absolut immer Vollgas geben müsse, so eine Rekrutin. Zudem werden im Film immer wieder die Vorteile der militärischen Ausbildung für das folgende Berufsleben «in der Privatwirtschaft» betont – eine ebenfalls von Männern dominierte Privatwirtschaft, in der Frauen nach wie vor strukturell benachteiligt werden.
Es ist also höchst fraglich, ob die obligatorische Integration von Frauen in eine der patriarchalsten Institutionen überhaupt als Schritt in Richtung Gleichstellung gewertet werden kann. Auch Eva Krattiger sieht das problematisch: «Dass nun die mangelnde Gleichstellung damit bekämpft werden soll, dass Frauen genau gleich wie Männer Krieg spielen, in dem auch sie einer Zwangsmilitarisierung unterliegen, ist keineswegs ein emanzipatorischer Schritt in Richtung Gleichberechtigung.» Und in der Tat sind Emanzipation und Zwang zwei Begriffe, die sich widersprechen. Wirkliche Gleichstellung aus emanzipatorischer Sicht für beide Geschlechter wäre viel mehr die Abschaffung der Wehrpflicht für die Männer.
Gegenteil von Gleichberechtigung
Auch die feministische Bewegung stellt sich praktisch geschlossen gegen eine Zwangsmilitarisierung von Frauen. Oft wird betont, dass Frauen nach wie vor rund 20 Prozent weniger verdienen als Männer, dass sie einen wesentlich grösseren Teil der Kinderbetreuung und der Hausarbeit übernehmen, auch wenn beide Elternteile berufstätig sind. Dass für das Erlangen der Gleichstellung nicht eine Wehrpflicht für beide Geschlechter an erster Stelle stehen darf, liegt auf der Hand. Vielmehr muss generell überdenkt werden, was als Dienst für die Gesellschaft angesehen wird: Zusätzlich zu der unbezahlten Arbeit, welche die Frauen im Privaten leisten, auch noch einen obligatorischen Waffendienst einführen zu wollen, ist das genaue Gegenteil von Gleichberechtigung. Die Anerkennung von Familien- und Fürsorgepflichten als Fundament unserer Gesellschaft würde die Position der Frau sehr viel effizienter verbessern.
Trotz dieser Ungleichheit im Berufs- und Alltagsleben hat eine Studiengruppe im Auftrag des Bundesrates vier Armee-Modelle mit oder ohne Dienstpflicht für Frauen verglichen und in einem Fazit das sogenannte «norwegische Modell» empfohlen. In diesem Modell sind Männer und Frauen wehrpflichtig, werden aber je nach Bedarf ausgebildet. Auch für die kantonalen Militärdirektoren ist das norwegische Modell eines von zwei bevorzugten Modelle.