Die neue US-Regierung unter Donald Trump verschärft die laufenden Konflikte in der Aussenpolitik der USA. Besonders gefährlich dürften die Krisen mit dem Iran und Nordkorea werden. Statt über diplomatische Lösungen nachzudenken, spricht man schon von einem «Präventivschlag».
Mittlerweile ist klar: Was das Weisse Haus von sich gibt, stimmt nicht immer mit dem überein, was die neue Regierung in Wirklichkeit tut. Die Drohungen, Schluss zu machen mit der Ein-China-Politik und Beijings Militärbasen im Südchinesischen Meer zu blockieren, wurden zurückgefahren. Das Versprechen, das Nuklearabkommen mit dem Iran aufzukündigen, ist in der Schublade gelandet. Und die Absage an die Nato hat sich in Unterstützung verwandelt. Setzt bei Trump Vernunft ein? Das wäre illusorisch. Wir werden aber ziemlich bald sehen, ob BerserkerInnen oder RationalistInnen an der Macht sind, weil einige aussenpolitische Krisen vor der Türe stehen.
«Eine offizielle Verwarnung»
Die gefährlichste davon stellt der Iran dar. Die Trump-Regierung meint dazu, dass der Iran «mit Feuer spielen» würde, und hat dem Land eine «offizielle Verwarnung erteilt» nach dem Start einer Mittelstreckenrakete vom Typ Khorramshahr. Die Rakete flog etwa 1000 Kilometer und explodierte beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Was mit «Verwarnung» gemeint ist, bleibt abzuwarten, aber Trump hat bereits Sanktionen zugestimmt für die – wie er behauptet – Verletzung des «Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans» von 2015 (UN-Resolution 2231). Der Iran verpflichtete sich damals, kein waffenfähiges Plutonium zu produzieren.
Die Trump-Regierung wirft dem Iran vor, ein «staatlicher Sponsor des Terrors» zu sein, ein Vorwurf, der wenig mit der Realität zu tun hat. Der Iran kämpft gegenwärtig gegen Daesh (auch IS genannt) und al-Qaida in Syrien, im Irak, und über ihre verbündeten Huthi im Jemen. Das Land unterstützte auch den Kampf gegen al-Qaida in Afghanistan. Wie der ehemalige UN-Inspektor Scott Ritter urteilte, «ist der Iran eher Verbündeter als Feind», besonders im Vergleich zu Saudi-Arabien, «dessen Bürger die Mehrheit der ‹9/11›-Terroristen bildeten und die verantwortlich sind für die finanzielle Unterstützung von islamistischen ExtremistInnen rund um den Globus, einschliesslich Daesh und al-Qaida».
In einem Interview erklärte der Chefstratege im Weissen Haus Steve Bannon: «Ich glaube, wir steuern wieder ganz klar auf einen grösseren heissen Krieg im Mittleren Osten zu.» Da die USA ihre Gegner in der Region zum Grossteil bereits vernichtet hat – Irak, Syrien und Libyen –, kann Bannon nur den Iran meinen.
Eine «gefährliche Idee»
Das Vorgehen der US-Regierung gegenüber Teheran ist besorgniserregend. Der US-Verteidigungsminister Jim Mattis sprach kürzlich darüber, iranische Schiffe in internationalen Gewässer nach Waffen zu durchsuchen, die für die Huthi in Jemen bestimmt sind. Eine solche Aktion wäre eindeutig eine Verletzung von internationalen Vereinbarungen. Die Huthi praktizieren eine Variante der Shi’a, der dominierenden islamischen Konfession im Iran. Sie erhalten Geld und Waffen vom Iran, aber sogar der US-Geheimdienst muss zugeben, dass die Gruppe nicht unter dessen Kommando steht. Das Weisse Haus verurteile einen Angriff der Huthi auf ein saudisches Kriegsschiff, obwohl die Saudis und die verbündeten Golfstaaten Krieg führen gegen die Huthi und die saudische Marine – zusammen mit dem US-Militär – eine Blockade gegen das Land führt. Laut der Vereinten Nationen sind über 16 000 Menschen Opfer des dreijährigen Krieges geworden – die grosse Mehrheit davon waren ZivilistInnen. Die Trump-Regierung überlegt sich offenbar, SoldatInnen in den Jemen zu schicken, was die USA mitten in einen Krieg setzen würde, der – neben den Saudis und ihren Verbündeten – die Huthi und den Iran, al-Qaida, Daesh und zahlreiche südjemenitische Separatistengruppen umfasst. Bodentruppen im Jemen einzusetzen, hält Jon Finer, der unter Obama im Aussenministerium diente, für eine «gefährliche Idee». Aber ein Krieg der USA mit dem Iran wäre genauso katastrophal für den Mittleren Osten wie die Irak-Invasion. Er könnte auch nicht gewonnen werden, wahrscheinlich auch dann nicht, wenn die USA Nuklearwaffen einsetzen würden.
Irak und Libyen in Erinnerung
Die zweite politische Krise besteht in Nordkorea. Trump erklärte den Stopp der nordkoreanischen Raketentests als eine «sehr, sehr hohe Priorität». Die Spannungen mit der Demokratischen Volksrepublik aufgrund der Atomwaffen und dem Raketenprogramm ziehen sich schon lange hin; dieser spezifische Abschuss kann kaum als bedrohlich bezeichnet werden. Es handelte sich um eine Mittelstreckenrakete, die nach 500 Kilometern explodierte. Nordkorea hat bisher keine Interkontinentalraketen, auch wenn gedroht wird, dass sie in der Entwicklung stehen.
Barack Obama hat Trump bei der Amtsübergabe laut internen Quellen mitgeteilt, dass das kleine ostasiatische Land die grösste Bedrohung für das US-Militär darstellt. Wie er darauf kommt, ist unbegreiflich. Man schätzt, dass Norkorea etwa über ein Dutzend Atomwaffen verfügt mit jeweils der Sprengkraft der Bomben von Hiroshima und Nagasaki: je 20 Kilotonnen. Die durchschnittlichen US-Sprengköpfe stellen eine Sprengkraft von 100 bis 475 Kilotonnen dar, einige sogar bis zu 1,2 Megatonnen. Die USA besitzen über 4000 Atomwaffen.
Die NordkoreanerInnen sind sicher nicht suizidal. Ein Atomkrieg in der Region würde unvorstellbare Schäden verursachen und neben Südkorea und Japan auch China mit hineinziehen. Was Nordkorea will, sind Gespräche, eine Taktik, die die Obama-Regierung nie angegangen ist. Ebenso wenig hat sie versucht, den Standpunkt Pjöngjangs zu verstehen. «Nordkorea hat gesehen, was im Irak und in Libyen passiert ist, nachdem dort auf Atomwaffen verzichtet wurde», sagt der britische Atomwaffenexperte Norman Dombey. «Die USA haben beide Länder angegriffen und in beiden Fällen wurde die Regierung umgebracht, inmitten von Gewalt und Chaos.» Die NordkoreanerInnen wissen, dass sie viele Feinde haben – die USA und Südkorea proben jährlich die Militärinvasion des Landes – und nur wenige Freunde. China toleriert Pjöngjang vor allem, weil sie vor den Folgen eines Regierungssturzes Angst haben. Nicht nur würden sie mit Flüchtlingen überflutet, sie hätten dann auch direkt eine US-Marionette vor der Grenze.
Nichtangriffspakt und Diplomatie!
Das Vorgehen von Obama gegenüber Nordkorea bestand darin, das Land zu isolieren und mit Sanktionen zu paralysieren. Das hat nicht geklappt und faktisch nur die Not im Land erhöht. Was klappen könnte, wäre ein Nichtangriffspakt zwischen den USA, Japan, Südkorea und Nordkorea und die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen. Nordkorea würde als Atommacht anerkannt, aber verpflichtet, keine weiteren Tests durchzuführen. Im Gegenzug würden die Sanktionen aufgehoben werden und Nordkorea könnte Wirtschaftshilfe bekommen.
Stattdessen haben die USA darauf gepocht, dass Nordkorea seine Atomwaffen aufgeben müsse – was nicht passieren wird. Sowieso ist diese Forderung eine Heuchelei. Als die USA den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet haben, haben sie sich schliesslich «zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung» verpflichtet. Alle acht Atommächte rüsten nicht ab; sie sind sogar dabei, ihr atomares Waffen-arsenal zu modernisieren.
Ein Nichtangriffspakt wäre essenziell, weil die berechtigte Angst von kleineren Länder besteht, dass Mächte wie die USA ihre Interessen auch mit konventionellen Waffen durchsetzen können.
Während der Wahlkampagne hat Donald Trump verlauten lassen, dass er «kein Problem» hätte, mit dem nordkoreanischer Staatschef Kim Jong-un zu reden. Dieses Vorhaben wurde seither nicht wieder geäussert. Stattdessen wird in Washington über einen «Präventivschlag» geredet.
Es ist nicht klar, wie viel von Trumps Tweets Provokation und Rhetorik sind. Sie könnten aber ins Desaster führen.