dab. Die bürgerlichen Medien, vor allem der Deutschschweiz, schwiegen die PdA-Abstimmungsbeschwerde gegen die Staf-Vorlage wegen Verstosses gegen die Einheit der Materie tot. Die Regierungen der Kantone Waadt und Neuenburg sowie das Bundesgericht beeilten sich, die störende Intervention vor Ablauf eines Monats abzuhaken und zu beerdigen.
Ende Mai reichten die PdA Waadtl und die PdA La Chaux-de-Fonds jeweils eine Beschwerde beim Staatsrat ihres Kantons ein. Die an den Urnen angenommene Vorlage «Steuerreform und AHV-Finanzierung Staf» verletze die in der Verfassung vorgeschriebene «Einheit der Materie», argumentierten sie. Die Unternehmenssteuerreform III, an den Urnen mit 59,1 Prozent abgelehnt, wurde praktisch unverändert mit dem AHV-Zückerchen künstlich verbunden, weil die Steuereinbussen von geschätzten zwei Milliarden Franken angeblich mit der jährlichen Einlage des gleichen Betrags in die AHV kompensiert werden sollen.
Die Steuer- und AHV-Reform Staf wurde – vor allem von der SP – als perfekter helvetischer Kompromiss, als ein vorbildliches Stück Parlamentsarbeit präsentiert, ist aber ein manipulativer Murks. «Als Stimmbürger*innen kann man nicht akzeptieren, dass das Parlament derart Druck auf die Bevölkerung ausübt», sagte Anaïs Timofte, Vizepräsidentin der PdA/POP Waadt, bereits bei der Einreichung der Beschwerde. Die jährliche Zuwendung von zwei Milliarden an den AHV-Fonds sei ein politisches Manöver, das mithelfen soll, in der parlamentarischen Verhandlung der AHV-21-Vorlage den Mehrwertsteuer-Satz und das Frauenrentenalter zu erhöhen. Die breite arbeitende Bevölkerung soll also nicht nur den durch Steuergeschenke dezimierten Service Public hinnehmen, sondern auch noch die Einlagen in die AHV bezahlen. «Und kein Rappen mehr wird am Ende an die Pensionierten ausbezahlt werden», so Anaïs Timofte.
Bundesgericht nicht befugt?
Normalerweise lassen sich Behörden mit Entscheiden Zeit, doch hier pressierte es: Bereits Anfang Juni legten die Waadtländer und Neuenburger Regierung ihre ablehnende Entscheidung vor. Die Beschwerde komme zu spät, argumentierten die Waadtländer, sie hätte vor dem Abstimmungssonntag eingereicht werden sollen, ausserdem sei das Bundesgericht dafür zuständig. Am 24. Juni dann schmetterte das Bundesgericht die zwei Rekurse ab. Es stellte sich, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen, auf den Standpunkt, eine Vorlage des Bundesparlaments könne nicht vor Bundesgericht angegriffen werden.
Das einleuchtende Argument der fehlenden Respektierung des Prinzips der Einheit der Materie ignorierte das oberste Gericht. Die Beschwerdeführer*innen betonten hingegen, dass die Stimmbürger*innen, die die Unternehmenssteuerreform bereits deutlich verworfen hatten, in der Folge mit einem Zückerchen in der Form einer provisorischen Einlage in den AHV-Fonds geködert wurden. Es ist mehr noch als nur ein Zückerchen, es ist auch eine Erpressung, die sagt: «Entweder schluckt ihr die bittere Pille der Steuergeschenke an grosse Unternehmen, oder die AHV stürzt ab und ihr bekommt weniger Rente.»
Kampfjets-Entwicklungshilfe
Das Bundesgericht gibt also eine Blankovollmacht und Ermunterung für noch mehr Manipulation und Erpressung. «Seine Entscheidung erlaubt es dem Parlament, weitere Pseudokompromisse vorzulegen, die verschiedene Themen enthalten und damit die Einheit der Materie missachten», erklärt Anaïs Timofte. «Dies erschwert den Stimmbürger*innen die Meinungsbildung und kann Ursache von grosser Verunsicherung sein.» So sei es zu befürchten, dass das Parlament zum Beispiel nächstes Jahr über eine Vorlage abstimmen lasse, die gleichzeitig den Kauf von Kampfjets und die Ausschüttung eines Entwicklungshilfe-Beitrags beinhalte. Dies bedeutet für Genossin Anaïs, dass «wir aufmerksam sein müssen gegenüber solchen Projekten, damit der freie und unverfälschte Willen des Souveräns nicht weiter verletzt wird.» Die PdA Schweiz bereitet eine parlamentarische Initiative zu diesem Thema vor, die sie im Herbst einreichen wird.
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