In Ecuador tritt zum ersten Mal eine Transfrau zu den Wahlen für das nationale Parlament an. Die selbstbewusste Aktivistin kann bereits viele Erfolge im Kampf gegen Diskriminierung vorweisen, darunter die Möglichkeit zur Änderung des Geschlechts auf der Identitätskarte.
Diane Rodriguez versteckt sich nicht und sie will, dass auch andere Transfrauen sich nicht verstecken müssen. «Der Kampf, der legitime Kampf, der die Gesellschaft verändern kann, muss öffentlich sein: Mit einem offenen Antlitz, das zeigt und sagt, wer ich bin. Es bringt nichts, sich weiterhin zu verstecken.» Rodriguez ist die erste offen transgender Person, die für die Nationalversammlung, das Parlament, von Ecuador kandidiert. Sie hat auch Schlagzeilen gemacht als erste Ecuadorianerin, die einen anderen Transmenschen geheiratet hat und als transgender Paar ein Kind hat – natürlich eines mit einem genderneutralen Namen. Aber es ist nicht ihr Ziel, Schlagzeilen zu machen, sondern Türen zu öffnen für ihre LGBT-Community. Durch die politische Partizipation kann eine grössere Veränderung der ecuadorianischen Gesellschaft erreicht werden, ein Sinneswandel, wie die LGBT-Community betrachtet und behandelt wird, sagt sie.
Seit sie 2013 zum ersten Mal bei Provinzwahlen in Guayas, der bevölkerungsreichsten Provinz Ecuadors, angetreten ist, hat sie die Türen mittlerweile schon deutlich weiter geöffnet: Mindestens sechs geoutete LGBT-Menschen stellen sich auf nationaler Ebene zur Wahl.
«Wir haben nicht existiert»
Die 34-jährige Rodriguez ist seit ihrer Jugend politisch aktiv, aber ihr erster Versuch bei Wahlen war nicht erfolgreich. Sie trat für eine Partei an, die nach ihrer Meinung unorganisiert war und neidisch auf die mediale Aufmerksamkeit, die sie bekam, deshalb habe sie verloren. Diesmal tritt sie für die linke Bündnispartei Movimiento País an, die unter Noch-Präsident Rafael Correa die Regierung stellt. Rodriguez hat Correa kennegelernt, als sie mit ihrer ersten Kandidatur Wahlgeschichte geschrieben hat und von ihm zu einer Veranstaltung eingeladen worden ist. Sie hat die Gelegenheit genutzt und von ihm mehr Rechte für die gesamte LGBT-Community gefordert. Correa hat Folge geleistet.
Die Fortschritte unter Correa sind eine Erleichterung nach einem Jahrzehnt des Stillstands, erklärt Rodriguez. Homosexualität wurde zwar 1997 entkriminalisiert, gefolgt von der Anerkennung des Rechts auf die eigene sexuelle Orientierung, faktisch hätten aber «Trans- und Intersexmenschen während dieser Zeit nicht existiert» und die folgenden Regierungen waren «mehr damit beschäftigt, den BürgerInnen Geld abzuknöpfen, als für Gleichberechtigung einzustehen»; es war «ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Republik».
Rodriguez schätzt ihre Chancen bei den Wahlen dieses Mal höher ein; für sie sprechen mehr als die Zugehörigkeit zu einer etablierten und immer noch populären Partei. Zu ihren Erfolgen gehören die Einrichtung von Gesundheitszentren, die spezifisch auf LGBT-Bedürfnisse zugeschnitten sind, die Strafverfolgung von 17 Morden an Transmenschen, eine Anzeige gegen den zweitgrössten Fernsehsender im Land wegen der Diskriminierung von Transmenschen in einer Comedy-Show, die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die Stärkung des Arbeitsschutzes und die Erkämpfung des Rechts, den Namen und das Geschlecht auf den offiziellen Identitätskarten zu ändern.
«Für alle Ausgeschlossenen»
Der Kampf um die Änderung des Geschlechts auf der ID war zermürbend, hat sich aber gelohnt, sagt Rodriguez. Der Erfolg ist unter TransaktivistInnen umstritten, da bei Transmenschen «Género» statt dem gängigen «Sexo» in der ID hinzugefügt und geändert wird. Dennoch sei das Gesetz «auch global gesehen einzigartig und pionierhaft». Ähnliches gebe es in Spanien und Argentinien, wo sich eine Transperson aber als psychisch krank und dann als das andere Geschlecht registrieren muss, was «unsere Transidentität verschwinden lässt», bemängelt die Aktivistin. «Wir sind nicht einfach Frauen, wir sind Transfrauen. Wenn wir in unserer Gesellschaft die weibliche Geschlechterrolle übernehmen und in dieser Rolle anerkannt werden, bedeutet das nicht, dass wir jede Spur unserer Transidentität aus unserem Leben auslöschen sollten.»
Sie meint, dass sie sich nicht als vollwertige Bürgerin fühlen konnte, bevor ihr Geschlecht nicht richtig auf ihrem Ausweis wiedergegeben wurde. Vor der Gesetzesänderung haben die Beamten sich ihr Gesicht angeschaut und ihr Geschlecht auf der ID und daraufhin ihre Vorgesetzten geholt. Mit den neuen Karten ist diese Diskriminierung vermeidbar.
Gewohnheiten ändern sich aber nicht schnell. Rodriguez stellt fest, dass die LGBT-Bewegung noch einen langen Weg vor sich habe, und bekräftigt, dass sie ihren Kampf weiterführen wird, um die Leute für sich zu gewinnen, die zuvor nicht an sie und an ihre Rechte geglaubt haben. Aber als eine Vertreterin im nationalen Parlament würde sie nicht dort Halt machen: «Es wäre egoistisch von mir, wenn ich den Sitz gewinnen und dann bloss Gesetze für LGBT-Menschen machen würde. Ich möchte dort auch für Frauenrechte, die Rechte von Afro-EcuadorianerInnen und Behindertenrechte einstehen – für alle, die historisch ausgeschlossen wurden.»